Wissenschaft

#Mammutbullen im Hormonrausch

Auch die zotteligen Riesen waren manchmal besonders „heiß“: Wie Elefantenbullen durchlebten männliche Wollhaarmammuts jährliche Phasen mit verstärktem Sexualtrieb und erhöhter Aggressivität, berichten Forscher. Dies belegen Spuren von Schüben des männlichen Sexualhormons Testosteron in einem über 33.000 Jahre alten Mammutstoßzahn sowie in Vergleichsmaterial von einem Elefantenbullen. Die Studienergebnisse verdeutlichen zudem das weitere Potenzial von Hormon-Nachweisen in Zähnen für die Forschung, sagen die Wissenschaftler.

Sie sind die berühmten Symboltiere der Eiszeit: Die Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) waren die an Kälte angepassten Verwandten unserer heutigen Elefanten. Einst zogen sie in großen Herden über die Steppen Eurasiens, doch dann verschwanden sie immer mehr, bis vor etwa 4000 Jahre auch die letzten Restbestände in Sibirien ausstarben. Der Körperbau der Wollhaarmammuts ist durch im Permafrost erhaltene Funde detailliert bekannt und auch fossiles Erbgut hat bereits interessante Einblicke in die Merkmale dieser Tiere ermöglicht. Über ihre Verhaltensweisen lässt sich hingegen meist nur spekulieren.

So blieb bisher auch unklar, ob Mammutbullen eine jährliche Phase durchmachten, die für die heute noch existierenden Vertreter der Rüsseltiere typisch ist: eine sogenannte Musth. Es handelt sich dabei um eine Periode mit gesteigertem Sexualtrieb sowie aggressivem Verhalten. Ausgelöst wird die Musth bei Afrikanischen und Asiatischen Elefanten bekanntermaßen von Schüben des männlichen Sexualhormons Testosteron nach dem Beginn der Geschlechtsreife. Diese Konzentrationsanstiege wurden bei ihnen bisher durch Blut- und Urintests nachgewiesen. Was ihre ausgestorbenen Verwandten betrifft, gab es hingegen nur indirekte Hinweise auf ein entsprechend hormongesteuertes Verhalten: Verletzungsspuren oder abgebrochene Stoßzahnspitzen könnten durch Rivalen-Kämpfe im Rahmen von Musth-Episoden entstanden sein.

Hormongesteuertem Verhalten auf der Spur

Im Rahmen ihrer Studie sind die Forscher um Michael Cherney von der University of Michigan in Ann Arbor deshalb nun der Frage nachgegangen, inwieweit sich die für die Musth typischen Hormonschübe in den Stoßzähnen von Elefanten sowie ihren eiszeitlichen Cousins nachweisen lassen. Ihr Fokus richtete sich dabei auf mögliche Spuren von Testosteron im sogenannten Dentin – einer Zahnsubstanz, die fortlaufend in feinen Schichten abgelagert wird.

Als Untersuchungsmaterial dienten dem Team Stoßzähne, die von einem männlichen sowie einem weiblichen Wollhaarmammut stammen, die im Permafrostboden Sibiriens gefunden wurden. Außerdem untersuchten die Forscher den Stoßzahn eines ausgewachsenen afrikanischen Elefantenbullen. Um die Wachstumsschichten des Dentins aufzudecken, unterzogen die Forscher die Zahnmaterialien einer Untersuchung mittels Computertomographie. Aus den identifizierten Lagen entnahmen sie dann durch feine Bohrungen Probematerial. Zum Nachweis von Hormon-Spuren wurde es anschließend durch massenspektrometrische Verfahren analysiert.

Erfolgreicher Nachweis mit weiterem Potenzial

Wie die Wissenschaftler berichten, konnten sie tatsächlich Spuren von Testosteron in den Zahnmaterialien nachweisen. Im Fall des Elefantenbullen zeichneten sich dabei in den Jahren nach dem Erreichen der Geschlechtsreife periodische Steigerungen der Hormonkonzentration um das Zwanzigfache ab. Darin spiegelten sich somit die Musth-Episoden im Lebensverlauf des Tieres wider. Genau dieses Muster stellten die Wissenschaftler dann auch im Fall des Stoßzahns des Mammutbullen fest. Die etwas geringeren Werte führen sie dabei auf Abbauprozesse in dem über 33.000 Jahre alten Material zurück.

Bei dem Zahnmaterial des weiblichen Mammuts stellte das Team hingegen nur ein geringes Testosteronniveau fest, das auch kaum Schwankungen unterworfen war. „Die in den fossilen Stoßzähnen erhaltenen zeitlichen Muster des Testosterons belegen damit, dass erwachsene Mammutbullen wie moderne Elefanten Musth-Perioden durchgemacht haben“, resümiert Cherney. Auch in Bezug auf Dauer, Periodizität und hormonelle Aktivität ähnelte die Mammut-Musth offenbar dem Pendant bei den heutigen Elefanten, sagen die Wissenschaftler.

Ihnen zufolge geht die Bedeutung der Studienergebnisse allerdings deutlich über den Einblick in das Fortpflanzungsverhalten von Rüsseltieren hinaus – sie könnten wegweisend für die Forschung sein, sagen Cherney und seine Kollegen. Denn wie das Team hervorhebt, eignet sich ihre Methode offenbar nicht nur im Fall riesiger Stoßzähne und auch andere Hormone lassen sich nachweisen. „Mit zuverlässigen Ergebnissen bei Proben von nur fünf Milligramm Dentin könnte diese Methode auch zur Untersuchung bei Tieren mit kleineren Zähnen, einschließlich Menschen und anderen Hominiden, verwendet werden“, schreiben die Autoren. „Hormonelle Spuren in modernem und altem Dentin bieten dabei neue Ansatzmöglichkeiten zur Untersuchung von Reproduktionsökologie, Lebensgeschichte, Populationsdynamik, Krankheiten und Verhalten in modernen und prähistorischen Kontexten“, so die Wissenschaftler.

Quelle: University of Michigan, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06020-9

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