#Man kann sich nur noch an den Kopf fassen – Frankfurter Zeitung von 1923
Die Reichsbank ist gezwungen, durch den Ankauf („Diskontierung“) der Reichsschatzwechsel, die heute infolge unserer bisher wirkungslosen Finanzpolitik zur Deckung des Geldbedarfs des Reichs dienen, eine gewaltige inflationistische Notenmenge täglich neu zu produzieren. Die erschreckenden Zahlen lesen wir allwöchentlich aus dem Reichsbankausweis. Was die Reichsbank darüber hinaus tut, ihr Verschenken von Krediten zu einem lächerlich niedrigen Zinssatz, ist ein vermeidbarer Fehler. Die Inflation des Reichs aber ist so lange nicht vermeidbar, wie eben die nötigen Einnahmen nicht auf dem Steuer- oder Anleihewege beschafft werden.
Nun kommen die Privatnotenbanken der Länder Bayern, Württemberg, Sachsen und Baden und wollen aus dieser Noteninflation der Reichsbank für sich auch ein Recht auf Noteninflation herleiten. Das ist der Sinn ihrer Forderung nach Erhöhung ihres Notenausgaberechtes, die am Freitag den Reichsrat beschäftigt hat. Wir stimmen mit dem Herrn Reichsbankpräsidenten diesmal völlig überein, wenn er sagte, eine solche Notenausgabe der Privatnotenbanken wäre eine Quelle neuer schwerer Inflation. Es ist kein vernünftiger Grund einzusehen, weswegen den Privatnotenbanken überhaupt irgendeine Erhöhung ihres Notenausgaberechtes zugestanden werden sollte.
Nur durch einen fast kindlichen Analogieschluss kann man überhaupt zur Aufstellung einer solchen Forderung kommen. Man folgert einfach: Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Und wahrlich: Diese Notenerhöhung ist für die ausgebenden Banken sehr billig. Sie kostet kaum mehr als die Druckspesen. Sie erzeugt aber ebenso wie die infolge der von der Reichsbank verschuldeten Zahlungsmittelnot allgemach um sich greifende Übung, dass jeder Betrieb in Deutschland sein eigener Geldschöpfer wird – wohlgemerkt ohne Deckung, ohne entsprechende Guthaben bei der Reichsbank – eine reine Inflation, eine Verschlechterung unserer Währung und damit eine Sabotage der vom deutschen Volk verlangten Stabilisierung der Währung. Man fasst sich an den Kopf, wenn man liest, dass in diesem Moment von einer solchen Inflationsbewilligung überhaupt die Rede sein kann.
Der Reichstagsausschuss hatte schon in bedauerlicher Verkennung der tatsächlichen Lage eine fünffache Erhöhung des Notenausgaberechtes zugestanden. Das bedeutet eine neue Geldschöpfung von vier Billionen Mark, die durch nichts anderes gedeckt ist als durch einen falschen Analogieschluss. Mit einer Beseitigung der Zahlungsmittelnot hat sie nicht das mindeste zu tun. Um diese zu beseitigen, könnten die Druckereien der Privatnotenbanken ja im Auftrag der Reichsbank Reichsbanknoten herstellen. Die Vertreter der Länder aber haben darüber hinaus eine Erhöhung auf das Zwanzigfache, das heißt, eine Berechtigung zur Neuschöpfung von 15 Billionen Mark verlangt. Glücklicherweise hat der Reichsrat, den Argumenten des Reichsbankpräsidenten folgend, wenigstens diese Torheit verhindert. Wozu aber das Geschenk der vier Billionen Mark?
Der Herr Reichsbankpräsident hat diese Gefahr völlig richtig erkannt. Was er aber über die Beschränkung der von der Reichsbank geförderten privaten Inflation durch Diskontierung von Handelswechseln und Lombardkreditgewährung zu rund 30 Prozent im Jahr ausführte, kann unsere Zustimmung nicht finden. Wir haben oft darüber geschrieben und können uns kurzfassen. Die Rationierung des Wechseldiskonts, die Beschränkung auf die „wirtschaftlich unbedingt gebotenen Kredite“ kann einen richtigen, über den Geldsätzen des freien Marktes liegenden Diskont nicht ersetzen. Der Ausweis der Reichsbank vom 7. August zeigte eine Vermehrung der privaten Wechsel und Schecks um 7 Billionen Mark und eine Zunahme der Wertpapierdarlehen („Lombarddarlehen“) um 6 Billionen Mark. Wir wissen nicht, wieviel davon etwa in wertbeständiger Form gegeben worden ist.
Soweit aber der Satz von 30 Prozent im Jahr angewandt worden ist, sind weiterhin Geschenke an die Empfänger ausgeteilt, ist die Inflation vermehrt worden. Die Kreditrationierung garantiert auch keineswegs eine richtige Verteilung; denn es ist sehr schwer zu erkennen, ob einem Wechsel wirklich eine volkswirtschaftlich unbedingt notwendige Transaktion zugrunde liegt. Zudem wird unserem Kreditsystem, das sich zu erheblichem Teil auf erstklassige Wechsel als liquide Mittel ersten Ranges aufbaut, durch diese Methode der Boden entzogen. Die Reichsbank wird sich, wenn sie ihre volkswirtschaftliche und gesetzlich bestimmte Aufgabe erfüllen will, zu einer richtigen Diskontpolitik entschließen müssen, sei es unter ihrem jetzigen, sei es unter einem anderen Präsidenten!
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