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#Meister müssen sich vor Mastern nicht verstecken

„Meister müssen sich vor Mastern nicht verstecken“

In der Bildungssoziologie gibt es ein Problem der Mitte: An Bildungswegen interessieren sie meistens der Anfang und das Ende. Also die ersten Jahre an den Grundschulen und die Absolventen der akademischen Bildung. Die mit Abstand beliebteste Frage ist hier die nach der Reproduktion beziehungsweise Korrektur sozialer Schichtung durch das Bildungssystem, zugespitzt auf die Chancen des Arbeiterkinds auf einen Universitätsabschluss. Die Mitte der beruflichen Ausbildungswege hingegen, also die mittleren Schulabschlüsse, die berufsqualifizierenden Ausbildungen und die höheren Qualifikationen wie Meister oder Fachwirt, bleibt unterbelichtet. Schuldig blieb sie dabei eine Antwort auf die Frage, warum der seltene Aufstieg besagter Arbeiterkinder zum Akademiker so viel wichtiger sei als der viel häufigere soziale Aufstieg durch eine höhere Berufsausbildung.

Die Unterstellung, akademisch ausgebildete Soziologen interessieren sich eben doch eher für ihresgleichen als für die Welt des Handwerks, verweist auf einen blinden Effekt des Faches, den es aber mit der Gesellschaft teilt. Generell herrschen hier zwei Überzeugungen vor: erstens, dass in unserer Wirtschaft immer mehr Akademiker gebraucht werden, und zweitens, dass sich immer genug junge Menschen finden werden, für welche höhere Berufsausbildungen doch noch attraktiver sind als Fachhochschulen und Universitäten. Aber dann kam Bologna.

Wozu sich die Mühe, einen Meisterabschluss zu erreichen?

Die im Jahr 1999 angestoßene Reform des europäischen Hochschulsystems ist in ihren Auswirkungen auf die akademische Bildung intensiv erforscht worden. Doch auch hier gilt: Ihr Effekt auf die beruflichen Ausbildungswege hat wenig Interesse gefunden. Dabei ist es doch naheliegend, vom Bachelor eine Entwertung der höheren Berufsabschlüsse zu befürchten. Das liegt schon deshalb nahe, weil der Bachelor mit dem Meister sowie dem Betriebs- oder Fachwirt formal gleichgestellt ist.

Hat der Bachelor damit einen Verdrängungswettbewerb ausgelöst zulasten der höheren Berufsausbildung? Wenn immer mehr Anteile eines Geburtsjahrgangs das Abitur schaffen und in die Hochschulen drängen, müsste dies zwar nicht notwendigerweise zu einem Attraktivitätsverlust der nichtakademischen Bildungswege führen. Aber die Gefahr der Marginalisierung liegt nahe, wenn damit auch Verwertungschancen sinken. Wozu sich die Mühe machen, einen Meisterabschluss zu erreichen, wenn man über einen deutlich schneller zu erreichenden Bachelor das gleiche Einkommen erzielen kann?

Anja Hall hat jetzt eine der ersten Studien zu dieser Thematik vorgelegt. Sie konnte dafür auf die Daten von Befragungen des Bundesinstituts für berufliche Bildung von 2006 und 2018 zugreifen. Halls Befunde könnte man als eine Entwarnung lesen: Nein, die These einer klaren Verdrängung und Entwertung von beruflich Höherqualifizierten durch den Bachelor konnte sie nicht bestätigen. Das duale Ausbildungssystem hat insofern durch Bologna keinen Attraktivitätsverlust erlitten.

Lieber solide Berufsausbildung als Schmalspur-Studium

Man könnte sagen: Es hat den Robustheitstest bestanden, den Bologna ausgelöst hat. Haben also alle gewonnen von dieser Reform? Halls Studie zeigt, dass das nicht der Fall ist. Der Vergleich der beiden Abschlusskohorten vor und nach Bologna verweise nämlich auf sinkende Bildungserträge der Akademiker, nicht der beruflich Ausgebildeten: Die spätere Kohorte erreiche seltener als die vor Bologna hoch qualifizierte Tätigkeiten. Damit haben sich auch die Lohnprämien gegenüber dual Ausgebildeten verringert, so Hall. Im Vergleich zu dual Ausgebildeten haben akademisch Qualifizierte der Abschlusskohorte 2006-2017 (also mehrheitlich Bachelor) eine geringere Chance auf eine hoch qualifizierte Tätigkeit als jene der Kohorte 1994-2005.

Bologna, könnte man aus diesen Ergebnissen schlussfolgern, hatte also zwei Gewinner und einen Verlierer. Gewonnen haben diejenigen, die mit einem Masterabschluss ihre privilegierte Position auf dem Arbeitsmarkt behaupten konnten. Gewonnen haben auch die solide höher Ausgebildeten des dualen Systems, die ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt nicht nur verteidigen konnten, sondern sie gegenüber den Verlierern der Reform sogar noch verbessern konnten. Das sind offensichtlich jene, die nur mit einem Bachelor ihre Berufsbildung beenden: akademisch zu wenig, und für die Bedürfnisse der Ausbildungsberufe zu praxisfern. Das ist ein bemerkenswerter Befund, weil er helfen könnte, einen anderen Trend zu erklären: dass nämlich trotz steigender Abiturientenzahlen die Zahl der Studienanfänger eher stagniert. Es gibt zwar immer noch Bildungspolitiker, die das beklagen, aber Halls Studie weist in eine andere Richtung: Es kann ganz offensichtlich die bessere Wahl sein, der Massenware des Bachelors eine höhere Berufsausbildung vorzuziehen. Das ist sowohl für die Hochschulen wie die Ausbildungsbetriebe eine gute Nachricht.

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