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#Warum liebt jeder diese Cowboy-Boots?

Warum liebt jeder diese Cowboy-Boots?

Ich hätte nicht wissen können, was sie bedeuten, als ich sie kaufte. Es war kurz vor der vergangenen Präsidentenwahl in den USA, da stand ich in einem Cowboystiefel-Laden in Berlin-Kreuzberg und sah sie zwischen all dem braunen Leder: schwarzes Velours, ein grünes gestepptes Muster, mittig pulsierte ein rotes Herz. Disko-Kitsch-Cowboy-Boots. Ich wollte sie sofort. „Das war das beliebteste Modell im Jahr 1983“, sagte mir der bärtige Ladenbesitzer und zeigte zur Decke: Da hingen sie, die gleichen, echten, zertanzt, ausgebeult, ergraut. Der Hersteller sei pleite gegangen, so der Bärtige. Das Schnittmuster habe er selbst erstellt und sie nachmachen lassen. Er weiß zu verkaufen, dachte ich, und nahm die Kopie.

In den Achtzigern waren die Vereinigten Staaten zum bisher letzten Mal von einem Präsidenten regiert worden, der aus dem Showbusiness in die Politik gewechselt war. Die Vergleiche zu der Personalie, die in den vergangenen vier Jahren das Land weiter zerrüttet hatte, verbat ich mir. In dessen Regierungszeit hatte ich selbst ein Jahr lang dort gelebt, im Mittleren Westen. Der Glanz der Americana schien endgültig abgetragen, das Versprechen der Freiheit gebrochen. Was, bitte, sollen sie bedeuten, die Stiefel der Männer, die die Frontier eroberten? Die Stiefel der Frauen, die sich ihre Freizügigkeit erkämpften? Nichts, so dachte ich. Ein guter Reiseschuh, befand ich.

„Gott, sind die schön! Flamboyante Schuhe“

Ein kleiner Junge in der Zürcher Wohnsiedlung Hardau blieb abrupt stehen, als er mich damit sah. Er blickte auf die Schuhe, ich blickte ihn fragend an. Ich hatte ihn schon einige Meter hinter mir gelassen, da rief er mir hinterher: „Hey Lady! Coole Stiefel!“ – „Thank you!“, wandte ich mich etwas verlegen zu ihm um. Eine Frau in einem Dorf in Baden stellte sich mir in den Weg, als ich aus dem Supermarkt kam. „Ich möchte Sie zur Wahl Ihrer Schuhe beglückwünschen!“ Ich wollte antworten, doch da erzählte sie mir sogleich von ihren eigenen Stiefeln. „Ganz weiß, oh, ich habe sie so lange nicht getragen!“

Die Disko-Kitsch-Cowboy-Boots unserer Autorin sind überall ein Hingucker – egal ob in der Großstadt oder auf dem Land.


Die Disko-Kitsch-Cowboy-Boots unserer Autorin sind überall ein Hingucker – egal ob in der Großstadt oder auf dem Land.
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Bild: Caroline Jebens

Ein Obdachloser am Berliner Gesundbrunnen winkte mich zu sich und nickte mir anerkennend zu: „Mega Schuhe.“ – „Vielen Dank!“ Wir lächelten zerknautscht, aber ehrlich. Die S-Bahn fuhr ein. „Na dann, schönen Tag, wa!“ – „Dir auch, ja!“ Eine elegante ältere Frau strahlte mich vor einem Restaurant in Mitte an. „Gott, sind die schön! Flamboyante Schuhe.“ Ein mittelalter Mann hielt mich in aller Frühe vorm Café an. „Hier, ich halte deinen Kaffee und du schreibst mir den Laden auf, ja?“ Ich tippte auf seinem Display herum. Die Schuhe! Er habe ganz viele solcher gehabt, damals, als er noch in Soho feierte.

Menschen unterhielten sich normalerweise eher selten spontan mit mir auf der Straße. Was war nur los mit diesen Stiefeln? Waren die Straßen nicht voll von bunteren, extravaganteren Schuhen? Warum wirkte ich gerade mit diesen so nahbar? Was lösten diese Stiefel aus, dass so viele Menschen auf einmal so gesprächig waren? Zu Hause setzte ich mich auf die Terrasse, hörte Wahlprognosen, die den gealterten amerikanischen Demokraten als sicheren Gewinner voraussagten.

Ich zündete eine Zigarette an, legte die Füße hoch und blickte auf die Cowboystiefel. Das Schwarz schlicht genug, um allen zu gefallen, das Weiß hell genug, um aufzufallen. Die grüne Naht, das Muster einend. Und die Form: unmöglich, über Absätze zu stolpern, die für einen sicheren Sitz geschaffen wurden. Eine Form, so gleichbleibend, dass sie jeder erkennt, auch wenn sie variiert. Diesen Stiefeln ist Alter, Geschlecht, Status egal. Auf sie können sich alle einigen. Bald ein Jahr ist der gealterte Demokrat nun Präsident. Er bemüht sich, sein Amerika zu einen, Hoffnung zu wecken, Versprechen einzulösen. Meine Stiefel sind mittlerweile etwas ausgetragen. Ich ziehe sie nicht mehr so oft an, aber wenn, dann wohl wissend, was sie bewirken. An Glanz haben sie nicht verloren.

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Donnerstags um 14.00 Uhr

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