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#Dresdner Fotoalbum des Rokokos

„Dresdner Fotoalbum des Rokokos“

Im Jahr 1747 kam der venezianische Maler Bernardo Bellotto nach Dresden, angelockt durch ein Jahres­gehalt von sehr respektablen 1750 Talern, die ihm der sächsische Kurfürst Friedrich August III. bot. Diese legte er offenkundig gut an: Ein Dresdner Ver­sicherungsinventar von 1762, nach Zerstörung seines Hauses im Siebenjährigen Krieg, führt Schäden im Wert von nicht weniger als fünfzigtausend Talern auf, darunter 515 Bücher und mehrere Druckpressen für seine gut verkäuflichen Radierungen, zudem ein sehr wertvolles Meißner Service als Geschenk seines Mäzens, des sächsischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl, für den er viele seiner Gemälde ein zweites Mal fertigte. Doch aus Bellottos anfangs rein materieller Lockung nach Dresden wurde bald schon echte Begeisterung für die Residenzkapitale seines Dienstherren, die so völlig anders war als seine Heimatstadt Venedig.

Statt der mäandernden Kanäle und überwiegend dunklen Gassen nur ein großer Fluss; statt der prächtigen Renaissancepaläste am Rialto ein Haufen mittelalterliche Bruchbuden und hier und da ein ansehnlicheres Barockpalais dazwischen. Aber der Künstler, der wie schon sein Onkel Antonio Canal nach venezianischer Art Canaletto („Kanälchen“) ge­nannt wurde, wie zweihundert Jahre zuvor schon der Renaissancemaler Jacopo Ro­busti aus der Lagunenstadt in Tintoretto-„Färberchen“ umgetauft worden war, venezianisierte die sächsische Hauptstadt: Bellotto verwandelte Dresden in seinen Bildern in eine pulsierend mediterrane Stadt. Und wie schon die von den Touristen der Grand Tour gern gekauften gemalten Souvenir-Capriccios Piranesis in Rom und Canalettos Veduten in Venedig die ursprünglichen Bilder im Kopf in der fernen Heimat bald überlagerten, so überschreibt und übermalt Bellotto das Bild im Kopf, das die Dresdner und Pirnaer von ihren Städten hatten, sehr schnell mit neuen, großzügigeren.

Mit Recht heißt die große Schau zum 300. Geburtstag des malenden Stadtver­hexers in der Galerie Alte Meister zu Dresden daher „Bernardo Bellotto – Zauber des Realen“. Tatsächlich idealisiert er kaum noch, ganz anders als sein Onkel mit dessen immer aufgeräumten und geschönten Venedigansichten. Vielmehr lehrt er die Sachsen, ihre baulichen und verhaltensmäßigen Eigenarten mit mediterranen Augen zu sehen.

Sein Blick sieht auch schmutzige Wäsche

Wenn Bellotto etwa 1753 die „Schiffvorstadt in Pirna“ malt, fährt der Blick erst einmal nach kurzem Gleiten über eine spiegelnde Elbebucht gegen die Wand. Spitzweghaft stehen da von der Mitte des Bildes an bucklig mittelalterliche Fachwerkhäuschen mit verbretterten Ober­geschossen und löchrigen Dächern. Das Schloss hoch oben auf dem Felsen gewahrt man nur in einem winzigen Anschnitt auf der linken Bildseite. Der Seitenarm der Elbe im Vordergrund ist so flach, dass das Wasser den saufenden Kühen nur bis knapp über die Hufe geht. Während aber am Ufer Wäschetag ist und drei Personen eine abenteuerliche Holzkonstruktion zum Trocknen der Tücher errichtet haben, stutzt man über ein gelblich braunes Laken auf dem Gestänge. Das soll nicht nur sauber, sondern rein sein? Überragt wird das seltsame Trockengestell von den spinnrigen Fingern eines abgestorbenen Weidenbaums, durch den Bellotto den Blick zu den Bruchbuden auf der anderen Seite der Bucht weiterleitet. Dort ist der – neben den Rindern im Wasser – zweite Schuldige auszumachen: ein Aborterker, anhand dessen die Wand nach unten ziehender Schmutzspur klar ist, warum in diesem Teil der Elbe Wäsche und Gewaschene nie blütenweiß werden, ähnlich wie auch in Venedig oft bis heute wenig vertrauenswürdiges Wasser in den Kanälen und Leitungen fließt.

Ebenso fallen auf dem zwei Jahre zuvor entstandenen monumentalen „Altmarkt in Dresden von der Seegasse aus“ nicht die Frauenkirche, die nur im Anschnitt zu sehen ist, oder die unübersehbare Menschenmenge an diesem quirligen Markttag ins Auge, die lediglich aus pointillistisch hingetupften Kopfpunkten in Orange, Grün, Gelb und Rot besteht. Vielmehr blickt man vorrangig auf die vorn im Schatten lungernden Sänftenträger, die ihre Chaisen abgestellt haben und auf Kundschaft warten. Diese Taxifahrer des achtzehnten Jahrhunderts sehen dabei ähnlich wüst aus wie ihre heutigen Pendants, und ähnlich mitgenommen zerzaust sieht auch der links im Vordergrund feilgebotene Hammel aus, über dessen Verkauf sich zwei gut gekleidete Herren unterhalten.

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