#Mit Hammer und Säge für eine bessere Welt
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„Mit Hammer und Säge für eine bessere Welt“
Neuerdings dreht sich für viele Museen alles um die Frage: Wie gehen wir mit Archiven um? Und wie macht man ein Archiv in einer Ausstellung zugänglich? Wie das gehen kann, ist bis Ende bis März im Salzburger Museum der Moderne auf dem Mönchsberg zu besichtigen. Im Kern handelt es sich um eine Übernahme von drei Ausstellungen, die das in Montréal ansässige Canadian Centre for Architecture (CCA) von Juni 2019 an gezeigt hat.
Drei Kuratoren – Yann Chateigné (Brüssel), Hila Peleg (Berlin) und Kitty Scott (Ottawa) – haben den Nachlass des 1943 geborenen und 1978 verstorbenen Architekten und Multimediakünstlers Gordon Matta-Clark gesichtet und gedeutet. Für die Salzburger Schau hat Jürgen Tabor den Wiener Künstler Hans Schabus eingeladen, sich mit dem Erfinder der „De-Architecture“ auseinanderzusetzen.
Soziale Skulpturen à la Beuys
Gordon Matta-Clark war der Sohn eines chilenischen Vaters und einer amerikanischen Mutter, beide bildende Künstler, die Ehe hielt nicht lang: Die Mutter verabschiedete sich, kurz nachdem sie Gordon und seinen Zwillingsbruder John zur Welt gebracht hatte. Gordon studierte Architektur an der Cornell University, ging an die Sorbonne zum Literaturstudium, kam mit Derridas Dekonstruktivismus in Berührung. In die Kunstgeschichte tritt er ums Jahr 1971 ein, als er zusammen mit vier Freundinnen in der Prince Street in SoHo eine community kitchen namens Food eröffnet. In dieser sozialen Skulptur wird drei Jahre lang gemeinsam gekocht, diskutiert, geträumt und Aktionskunst mit Suppen veranstaltet. Früh beginnt Matta-Clark, seine Arbeit zu filmen. Dabei war ihm Film nicht nur Dokumentation, sondern auch künstlerische Ausdrucksform.
„Splitting“ wurde in dieser Aktion von 1974 wörtlich genommen – Gordon Matta-Clark zersägte ein Vorstadt-Haus in New Jersey.
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Bild: Estate of Gordon Matta-Clark
Der schnellste Weg in sein Universum gelingt mit Hila Pelegs Auswahl aus dem Filmarchiv. Da sieht man etwa die Aktion „Conical Intersect“ (1975) in Paris, die ein bestens gelaunter Matta-Clark in einem Interview als „genau das“ beschreibt, „was ich immer wollte“. Im 4. Arrondissement werden Stadthäuser aus dem siebzehnten Jahrhundert plattgemacht, dass ganze Viertel wird umgekrempelt, in direkter Nachbarschaft zu den Abbruchhäusern entsteht gerade das Centre Pompidou. Der New Yorker Anarch ist nebst einer Handvoll Helfern eingeladen, seine händische Demontagekunst parallel zu den monströsen Abrissbaggern zu zeigen. Matta-Clark rückt den ausgeweideten Gehäusen mit Muskelkraft, Hammer, Brechstange und Bandsäge zu Leibe.
Eher Mystiker als Rationalist?
Man sieht eine Fassade, in der sich plötzlich ein Loch auftut, ein Fäustel erscheint, eine Hand im weißen Lederhandschuh winkt, dann wächst sich der Durchbruch zu einem konischen Ausschnitt aus, der einen Blick ins Innere des Gebäudes freigibt, als schaue man ihn eine Blutbahn. Aus der Distanz kann man auch an das Rundbogenfenster einer Kathedrale denken. Dabei werden die sich auf Sechzehn-Millimeter-Film dokumentierenden Amerikaner in Helm, Schutzbrille und Arbeitsmänteln selbst zum Gegenstand der Betrachtung. Passanten bleiben stehen und diskutieren die Aktion, am Trottoir sitzen Kunststudentinnen und zeichnen die Szene.
Thorsten Sadowsky, Leiter des Museum der Moderne und künstlerischer Leiter der Sammlung Generali Foundation, erinnert an einen Satz Sol LeWitts, der auch Matta-Clark beschreibe: „Konzeptuelle Künstler sind eher Mystiker als Rationalisten.“ Tatsächlich weist die von Kurator Yann Chateigné in vier Archivregalen dargebotene Auswahl der Bibliothek des Künstlers in diese Richtung: Alchemie, Psychoanalyse, Mythen, Architekturtheorie, Computer – und Miltons „Paradise Lost“. Das spröde Ensemble wird auratisch aufgepäppelt durch den Flaschenzug, den Matta-Clark bei Abseilaktionen verwendete.
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