Wissenschaft

#Ein Kaiser im genetischen Spiegel

Einem Herrscher des 6. Jahrhunderts auf der Spur: Forschende haben Erbgut aus den Gebeinen des chinesischen Kaisers Wu der Nördlichen Zhou-Dynastie gewonnen und analysiert. Die Ergebnisse lieferten Hinweise auf das Aussehen, die Todesursache und die Abstammung dieses bedeutenden Herrschers aus einer turbulenten Ära der chinesischen Geschichte.

Seit sich Qin Shihuangdi im Jahr 221 v. Chr. zum ersten chinesischen Kaiser erklärt hatte, prägten die „Söhne des Himmels“ über 2000 Jahre lang die Geschicke des Reichs der Mitte. Diese enorme Zeitspanne war allerdings von vielen komplexen Zerfalls- und erneuten Aufbau-Prozessen geprägt: Im Lauf der Geschichte entstanden unterschiedliche Staatsgebilde auf dem Gebiet des heutigen China und Herrschern aus vielen verschiedenen Dynastien wurde der Titel Kaiser zugesprochen.

Im Fokus der aktuellen Studie stand nun Kaiser Wu, der 560 bis 578 n. Chr. herrschte. Ihm war es gelungen, in der turbulenten Ära des 6. Jahrhunderts den nördlichen Teil des alten China unter seine Kontrolle zu bringen. Er gilt als ein fähiger Herrscher, der tiefgreifenden Einfluss auf die chinesische Geschichte genommen hat. Denn durch Reformen und militärische Erfolge legte er den Grundstein für die anschließende Wiedervereinigung Chinas. Kaiser Wu entstammte der Nördlichen Zhou-Dynastie, die in einer instabilen Ära der chinesischen Geschichte zu Macht gelangt war. Das Besondere dieses Herrscherhauses war dabei: Es ist aus der nomadisch lebenden Volksgruppe der Xianbei hervorgegangen, die in der heutigen Mongolei sowie im Norden Chinas verbreitet war.

Hinweise auf Aussehen und Abstammung

Die Grundlage der aktuellen Untersuchung bildete die Entdeckung des Grabes von Kaiser Wu im Nordwesten Chinas im Jahr 1997: Archäologen fanden darin Skelettteile des Herrschers, darunter einen fast vollständigen Schädel. Mit den modernen Methoden der Genetik gelang es nun dem Forschungsteam um Panxin Du von der Fudan University in Shanghai, diesen Überresten DNA-Spuren zu entlocken. Anschließend unterzogen sie das Erbgut einer Analyse, um genetische Hinweise auf unklare Aspekte des Kaisers zu gewinnen, der unter mysteriösen Umständen im Alter von nur 36 Jahren gestorben war.

Wie die Forschenden berichten, konnten sie anhand von genetischen Merkmalen, die mit Haut-, Augen und Haarfarbe verbunden sind, Rückschlüsse auf das Aussehen des Herrschers mit der besonderen ethnischen Herkunft ziehen. „Es gab Vermutungen, dass die Xianbei ein ‚exotisches‘ Aussehen besessen hätten, etwa durch einen besonders hohen Nasenrücken und gelbliches Haar“, sagt Seniorautor Shaoqing Wen von der Fudan-Universität. Doch die Ergebnisse der Studie zeigten, dass dies zumindest nicht auf Kaiser Wu zutraf. Eine Rekonstruktion seines Gesichts auf der Grundlage der Merkmale der Schädelknochen und den genetischen Ergebnissen ergab: Er besaß braune Augen, schwarzes Haar und eher dunkel gefärbte Haut sowie keine besonders auffälligen Gesichtszüge. „Unsere Analyse zeigt, dass Kaiser Wu typische ost- oder nordostasiatische Merkmale aufwies“, sagt Wen.

Vergleiche mit genetischen Daten anderer Menschen aus der Ära und der Region lieferten nun auch Hinweise über die Abstammungsgeschichte des Kaisers: Er besaß demnach zu zwei Dritteln Vorfahren aus dem nordostasiatischen Ursprungsbereich der Xianbei. Ein Drittel seiner Abstammung passte jedoch eher zu genetischen Merkmalen von Han-Chinesen aus dem Süden. Dieser Anteil war wahrscheinlich auf eine bereits recht weit zurückreichende Tradition von Mischehen zwischen den Xianbei-Königsfamilien und chinesischen Han-Aristokraten zurückzuführen, erklären die Forschenden.

Kaiser Wu neigte zu Schlaganfällen

Wie das Forschungsteam weiter berichtet, fanden sie in den genetischen Daten auch Hinweise auf die Ursache des frühen Todes des Kaisers. Als möglich gilt, dass er von Rivalen vergiftet wurde oder aber einer Krankheit erlegen war. Wie die Forschenden berichten, geht aus einer historischen Überlieferung hervor, er habe Sprachstörungen, hängende Augenlieder und einen abnormalen Gang gezeigt. Die Studienergebnisse untermauern nun die Vermutung, dass es sich dabei um die Symptome eines Schlaganfalls gehandelt hat. Denn die Forschenden fanden genetische Besonderheiten im Erbgut von Kaiser Wu, die mit einer Neigung zu dieser Art der Herz-Kreislauf-Erkrankung verbunden sind.

Bei der Studie handelt es sich somit um ein weiteres Beispiel dafür, wie die moderne Genetik der Archäologie und historischen Forschung interessante Hinweise liefern kann. Die Forschenden wollen ihre paläogenetischen Untersuchungen nun auch fortsetzen: Als Nächstes planen sie, die einstigen Bewohner einer bedeutenden Residenzstadt der chinesischen Geschichte im Nordwesten Chinas zu untersuchen: Chang’an war über Jahrtausende hinweg die Hauptstadt vieler chinesischer Reiche und der östliche Endpunkt der Seidenstraße. Die Forscher hoffen, dass ihre geplanten Analysen alter DNA beleuchten können, wie sich einst die Bevölkerungsgruppen und Kulturen im alten China vermischten.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2024.02.059
10.1016/j.cub.2024.02.059

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