Wissenschaft

Motten navigieren nach den Sternen

Jedes Frühjahr wandern Millionen Bogong-Falter von ihren Brutstätten in Südostaustralien in kühle Höhlen in den australischen Alpen. Dabei legen sie hunderte Kilometer zurück bis zu einem Ort, an dem sie niemals zuvor waren. Doch wie finden sie ihren Weg? Eine Studie zeigt nun, dass sich die Motten nicht nur am Erdmagnetfeld orientieren, sondern auch an den Sternen. Verantwortlich dafür sind spezialisierte Neuronen im winzigen Gehirn der Insekten. Welche Merkmale des Nachthimmels den Motten als Anhaltspunkt dienen, ist allerdings noch unklar.

Im australischen Frühling machen sich Jahr für Jahr Millionen Bogong-Falter (Agrotis infusa) auf die Reise ihres Lebens: Kurz nachdem sie in ihren Brutstätten im heißen Südosten Australiens geschlüpft sind, fliegen sie bis zu 1000 Kilometer bis in die Australischen Alpen. Eine kleine Anzahl an kühlen Höhlen und Felsspalten dient diesen Nachtfaltern dort als Sommerquartier. Im Herbst kehren sie zu ihren Brutstätten zurück, um sich dort zu vermehren und anschließend zu sterben.

Doch woher wissen die Motten, in welche Richtung sie fliegen müssen und wann sie ihr Ziel erreicht haben, obwohl jede Generation die lange Reise nur einmal in ihrem Leben unternimmt, sodass keine erfahrenen Individuen jüngeren Artgenossen den Weg weisen könnten? Frühere Experimente hatten bereits gezeigt, dass die Insekten einen Magnetsinn haben und sich wahrscheinlich am Erdmagnetfeld orientieren können. Eine vollständige Erklärung lieferte diese Erkenntnis allerdings nicht.

Sternenhimmel als Kompass

Ein Team um David Dreyer von der Lund Universität in Schweden hat nun nachgewiesen, dass sich die Bogong-Falter zusätzlich an den Sternen orientieren. Dazu fingen die Forschenden zahlreiche Bogong-Falter jeweils zu Beginn ihrer Wanderung im Frühling und Herbst ein und setzten sie in einen eigens dafür konstruierten Flugsimulator. Dieser bildet in einer Art Planetarium den Nachthimmel ab und neutralisiert das natürliche Magnetfeld der Erde.

Obwohl sich die Motten unter diesen Bedingungen nicht auf ihren Magnetsinn verlassen konnten, flogen sie bei Einblendung eines natürlichen Nachthimmels zuverlässig in die richtige Richtung – also im Frühling nach Süden, im Herbst nach Norden. „Wenn wir jedoch den projizierten Nachthimmel um 180 Grad drehten, flogen die Tiere genau in die entgegengesetzte Richtung“, berichtet das Team. Waren die Sterne am simulierten Nachthimmel dagegen zufällig verteilt, zeigten die Motten keine Präferenz für eine bestimmte Richtung, sondern flogen orientierungslos umher.

Ausgefeilte neuronale Mechanismen

„Das beweist, dass die Bogong-Falter nicht nur zum hellsten Licht fliegen oder einem einfachen visuellen Hinweis folgen“, sagt Dreyers Kollege Eric Warrant. „Sie lesen bestimmte Muster am Nachthimmel, um ihre geografische Richtung zu bestimmen, genau wie Zugvögel“. Die Bogong-Falter sind somit die ersten bekannten wirbellosen Tiere, die sich bei ihrer Langstreckenreise auf einen Sternenkompass verlassen. Dabei berücksichtigen sie auch, dass sich der Sternenhimmel im Laufe der Nacht bewegt und überdies zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich aussieht.

In weiteren Experimenten enthüllten Dreyer und sein Team die neurologischen Grundlagen dieses komplexen Verhaltens. Demnach reagieren spezialisierte Neuronen im Gehirn der Falter auf die Ausrichtung im Verhältnis zum Sternenhimmel. Am stärksten feuern diese Neuronen, wenn das Tier nach Süden gerichtet ist – unabhängig von der Jahreszeit. „Diese Art der Richtungsabstimmung zeigt, dass das Gehirn der Bogong-Motte Himmelsinformationen auf erstaunlich raffinierte Weise kodiert“, sagt Warrant. „Das ist ein bemerkenswertes Beispiel für komplexe Navigationsfähigkeiten in einem winzigen Insektengehirn.“

Auf welche stellaren Hinweise genau sich die Motte verlässt, ist bislang noch unklar. Ob sie mit ihren Facettenaugen einzelne Sterne und Sternbilder ausmachen kann, ist fraglich. Womöglich könnte ihr allerdings die Milchstraße, die als heller Lichtstreifen in der südlichen Hälfte des Himmels zu sehen ist, bei der Orientierung helfen. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass auch Mistkäfer die Milchstraße zu Hilfe nehmen – allerdings nicht für Langstreckenreisen, sondern um ihre Dungkugeln in einer gerade Bahn zu rollen.

Quelle: David Dreyer (University of Lund, Schweden) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-025-09135-3




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