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#Musik liegt in der – dicken – Luft – Geograffitico

Musik liegt in der – dicken – Luft – Geograffitico

Beim Einkaufen im Supermarkt dudelte heute Abend die 40-er-Jahre-Schnulze Baby, It’s Cold Outside aus dem Lautsprecher, und ich habe mich geärgert. Was mich an diesem Song stört, und warum er hier erwähnenswert sein soll, erkläre ich gleich, einen Moment Geduld, bitte! Die Nummer hatte 1950 einen Oscar als beste Filmmelodie gewonnen, wurde dutzendfach von Stars quer durch alle Genres gecovered: von Louis Armstrong über Willie Nelson bis hin zu Lady Gaga; eine Musicalversion schaffte es um die Weihnachtszeit vor vier Jahren, einen Spitzenplatz in der US-Hitparade zu erklimmen. Daheim angekommen, lese ich endlich die Zeitung von heute (momentan ist bei mir noch Dienstagabend), und scheinbar zufällig fällt meinem Blick genau auf den Titel dieses Songs in einem Beitrag im Kulturteil: Princeton Singers Abandon a ‘Little Mermaid’ Song Over Kissing Concerns.

Was haben die beiden Songs (außer, dass es sich bei beiden um Songs aus Filmen über – sinngemäß oder wörtlich – “Wassernixen” handelt: Neptuns Tochter beziehungsweise Arielle, die Meerjungfrau) miteinander gemeinsam? Sagen wir’s mal so: Beide sind ein guter Anlass, sich Gedanken zu machen über (hoffentlich) wandelnde Sensibilitäten im Bezug auf das, was man so gemeinhin “Flirten” nennt. Oder auch über unser Verständnis, was als sexuell aufdringlich oder gar “übergriffig” (ein relativ neudeutsches Wort, das ich deshalb noch in Anführungszeichen setze) gelten sollte. Diese Fragen kamen ja gerade erst wieder hier in der Diskussion auf…

Den aktuellen Anlass, den die New York Times aufgegriffen hatte, lieferten die Tigertones der Princeton University – eine a-capella-Männergesangsgruppe, zu deren Repertoire eine Version des Disney-Songs Kiss the Girl gehört. Doch sie sangen nicht nur; zur Show gehörte, dass jeweils eine Frau und ein Mann aus dem Publikum auf die Bühne geholt wurden, und er dann, im Einklang mit dem Liedtext, von den Sängern dazu animiert wurde, die Frau zu küssen. Spielen wir doch mal das Lied (aber nicht in der Tigertones-Version, aus dem Film – ich hoffe, YouTube spielt hier mit:
https://www.youtube.com/watch?v=axZ6mG__ZqU

Dass dies längst nicht so gut ankam wie die jungen Männer gehofft hatten, dürfte nicht verwundern (vor allem, weil ihre “Opfer”, wie es scheint, nicht immer ganz freiwillig auf die Bühne kamen, sondern eher dem durch die Situation geschaffenen öffentlichen Druck nachgaben) – nach Protesten haben die Tigertones nun verkündet, diese Nummer aus ihrem Programm zu streichen; die Sensibilitäten des Publikums haben sich dankenswerter Weise im Laufe der Zeit wohl doch geschärft. Und hier kommt nun die alte Schnulze vom schlechten Wetter draußen wieder ins Spiel: Obwohl sie ein populärer Song in der kalten Jahreszeit war (deshalb auch die schier endlosen Coverversionen), wurde sie vor einigen Tagen von mehreren Radiosendern aus dem Programm geworfen. Wer den Text beziehungsweise die darin beschrieben Situation nicht kennt, kann sich ja schnell mal hier den deutschen Text (der eine ziemlich getreue Übersetzung der Originalversion ist) anschauen. Vielleicht gab es wirklich mal eine Zeit, in der so etwas als normal oder gar als “schicklich” gelten durfte, aber nach heutigen Maßstäben versucht hier ein Mann, eine von ihm begehrte Frau gegen deren ausdrücklichen Willen (und mit Hilfe von Alkohol) zum Bleiben und – was zwar nicht ausdrücklich gesagt wird, aber ziemlich leicht erkennbar ist – zum Sex zu überreden. Date Rape nennt man das heute, und es gibt eigentlich keine Welt, in der dies jemals ein akzeptables Verhalten hätte sein dürfen…

Klar, dass es einen Shitstorm gab und selbstredend #MeToo dafür verantwortlich gemacht wurde. Und ich wäre nicht überrascht, wenn die Princeton-Angelegenheit einen ebensolchen Shitstorm mit sich bringt.

Wobei ich mir hier einen Einschub erlaube: Ich finde es peinlich, dass die Gesangsgruppe dabei die Schuld auf den Song abschiebt. Denn wer den Dinsey-Film kennt (oder auch nur den Clip oben gesehen hat), wird bemerken, dass es dabei nicht um die Verführung der Meerjungfrau Arielle ging – im Gegenteil: Sie braucht den Kuss den Prinzen, um ihre Stimme (und ihre Seele) zurückzugewinnen, und nur zu diesem einen Zweck wurde diese Situation von ihren Gefährten so eingefädelt. Und dieser Plan scheitert…

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