#Zum Tod des amerikanischen Germanisten Guy Stern
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Er überlebte als Einziger seiner Familie die Schoa und verschrieb sich danach der deutschen Literatur. Nun ist der amerikanische Germanist Guy Stern im Alter von 101 Jahren gestorben.
Die Ritchie Boys hatten ihren Namen nach dem militärischen Ausbildungslager der Vereinigten Staaten, Camp Ritchie in Maryland. Dort trainierten zwischen 1942 und 1945 vor allem deutsche und österreichische Exilanten für den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland.
Nach der Landung amerikanischer Truppen in der Normandie am 6. Juni 1944 übernahmen die Ritchie Boys vor allem nachrichtendienstliche Aufgaben der Feindaufklärung. Zu ihnen gehörten die Schriftsteller Hans Habe und Stefan Heym, David Robert Seymour, ein Gründer der Fotoagentur Magnum, Lyonel Feiningers Sohn T. Lux und der Chansonnier Georg Kreisler. 2004 drehte der Regisseur Christian Bauer einen Dokumentarfilm über sie und war damit für den Oscar nominiert.
Fesselndes Zeitzeugnis
Jetzt ist einer der letzten lebenden Richie Boys gestorben, der Germanist Guy Stern. 1922 in Hildesheim wurde Günther Stern als Sohn eines jüdischen Textilhändlers geboren, 1937 gelang ihm als einzigem Mitglied seiner Familie, von der er niemanden wiedersehen sollte, die Flucht aus Deutschland in die Vereinigten Staaten. Nach dem Studium übernahm er Lehrstühle an Universitäten in Cincinnati, Maryland und Detroit. Stern schrieb über Exilliteratur, Lessing und den Roman im achtzehnten Jahrhunderts.
Seine Memoiren, „Wir sind nur noch wenige“, kamen auf Deutsch im vergangenen Jahr heraus. Sie sind ein beobachtungsstarkes, fesselndes Zeitzeugnis. Der Jugendliche war, als die Schandtaten der Nationalsozialisten sich häuften, von seinen Eltern zu einem amerikanischen Onkel nach St. Louis geschickt worden. Dort schließt er die Schule ab, lernt durch die Schülerzeitung Benny Goodman und Thomas Mann kennen, schlägt sich als Kellner durch und tritt in die Armee ein. Die suchte Leute, die Deutsch konnten. Guy durchläuft eine Nahkampfausbildung, lernt Verhörmethoden und betritt am D-Day den europäischen Kontinent, wo er die Aufgabe hat, aus deutschen Gefangenen durch geschickte Kommunikation möglichst viel Information herauszuholen. Dabei kommen ihm die ersten Berichte über Vernichtungslager zur Kenntnis.
Sterns Erinnerungen sind von großer Anschaulichkeit, sie vermitteln einen dichten Eindruck von einem Teilgeschehen der letzten Weltkriegsmonate. Es folgt das Studium, das er abermals als Kellner finanziert, und die zweite Bildungsgeschichte nach der militärischen. Als Jude in Amerika nach 1945 sich mit deutscher Literatur zu beschäftigen, war alles andere als selbstverständlich. Doch er sah sich als Nachfahre einer Aufklärung, die sich von der Geschichte nicht auf rachsüchtige Positionen festlegen lässt. Viele Einladungen nach Deutschland als Gastprofessor folgten. Und noch besser: 2018 war er der „Veteran des Spiels“ im Football-Heimspiel der Michigan Wolverines gegen die Terrapines der Universität von Maryland: „Bärenmarder gegen Sumpfschildkröten, prima.“ So lakonisch begegnete er seinem Ruhm. In Detroit ist Guy Stern am vergangenen Donnerstag im Alter von 101 Jahren gestorben.
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