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#Nach Prigoschins Aufruhr gärt es in Russlands Armee

Es klingt wie die Ankündigung einer offenen Rebellion: Bei der geringsten Gefahr für Freiheit oder Leben von General Michail Teplinskij werde die 7. Garde-Luftsturm-Division wie eine Mauer um ihren Kommandeur stehen, sagt ein angeblicher Soldat der Einheit in einer auf Telegram verbreiteten Audiobotschaft. „Wir sind sehr entschieden. Bis dahin, dass wir unsere Stellungen verlassen und unserem Anführer zur Hilfe kommen.“ Diese Drohung ist die Antwort auf Gerüchte, der Kommandeur der russischen Luftlandetruppen solle verhaftet werden. Ob sie einen wahren Kern haben, ist unklar. Auch für die Echtheit der Aufnahme gibt es keinen Beleg.

Sicher ist aber, dass die Nachricht in den Telegram-Kanälen russischer Kriegs­blogger heiß diskutiert wird. Manche von ihnen mutmaßen, die Aufnahme könne vom ukrainischen Geheimdienst in Umlauf gebracht worden sein, um die Unruhe in den russischen Truppen zu verstärken. Die ist allerdings auch so schon groß.

Seit dem Aufruhr der Wagner-Truppe Jewgenij Prigoschins am 24. Juni dringen immer mehr Anzeichen einer Spaltung in der Militärführung und wachsender Unzufriedenheit in der Truppe an die Öffentlichkeit. Prigoschins Vorwürfe, die Moskauer Militärbürokratie sei inkompetent, korrupt, nehme keine Rücksicht auf die Soldaten und wolle den Sieg im Krieg gar nicht, scheinen in der Truppe Anklang zu finden.

Wurden weitere Kommandeure abgesetzt?

In den vom Kreml kontrollierten russischen Medien wird darüber so gut wie nicht berichtet, aber in den Telegramkanälen der radikalen Befürworter des Kriegs gegen die Ukraine gärt es. Vorige Woche wurde der Kommandeur der 58. Armee, General Iwan Popow, entlassen, der Generalstabschef Walerij Gerassimow in einer Besprechung kritisiert haben soll. Popow warf der Militärführung danach vor, sie sei den Soldaten „in den Rücken gefallen“, indem sie die Truppe in einer schwierigen Zeit „verräterisch und niederträchtig“ enthauptet habe. Popow soll mittlerweile nach Syrien versetzt worden sein.

In den Tagen darauf machten Nachrichten über weitere Entlassungen von Kommandeuren kämpfender Einheiten die Runde. „Nach der Liste der bereits abgesetzten Kommandeure zu schließen (und abgesetzt werden nur die tüchtigsten), hält unser Generalstab nicht den Gegner für die größte Gefahr, sondern die Unterminierung seiner eigenen Autorität, die er – seien wir ehrlich – unter den Armeeleuten schon lange nicht mehr hat“, schreibt der Blogger Jurij Podoljaka, der auf Telegram mehr als 2,8 Millionen Abonnenten hat. Er „fürchte sehr“ eine neuerliche Revolte wie die der Wagner-Truppe: „Die Probleme, die dazu geführt haben, wurden im vergangenen Monat ja nicht nur nicht gelöst, sondern haben sich noch bedeutend vertieft.“

Schojgu und Gerassimow schlagen zurück

Laut dem anonymen Telegramkanal WTschK-OGPU, der mit fast 760.000 Abonnenten ebenfalls eine große Reichweite hat und mutmaßlich über Quellen unter ranghohen Militärs verfügt, geht diese Furcht auch im Verteidigungsministerium und im Kreml um. Die Rede General Popows habe unter jenen Generälen, die keine „Parkettgeneräle“ seien, eine „Kettenreaktion“ dabei hervorgerufen, sich Generalstabschef Gerassimow nicht mehr unterzuordnen. Deshalb drohe ein Verlust der Lenkbarkeit der Armee. Eine Entlassung Gerassimows werde aber nicht erwogen, „weil damit nur die Entwicklung eines Appetits von Forderungen der Kommandeure provoziert wird, worauf unweigerlich eine Wiederholung des Prigoschin-Szenarios folgt“.

Prigoschin hat Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schojgu in den Monaten vor seinem Aufruhr immer wieder mit unflätigen Worten angegriffen, ihre Absetzung und sogar ihre Erschießung gefordert. Seit dem Aufruhr versuchen Schojgu und Gerassimow nun offenbar, die Armee von Offizieren zu säubern, an deren Loyalität sie zweifeln.

Ihre Autorität wird untergraben: Verteidigungsminister Sergej Schojgu (l.) und Generalstabschef Walerij Gerassimow antworten mit einer Säuberungswelle.


Ihre Autorität wird untergraben: Verteidigungsminister Sergej Schojgu (l.) und Generalstabschef Walerij Gerassimow antworten mit einer Säuberungswelle.
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Bild: dpa

Mutmaßlich eskalieren dabei Konflikte in der Armeeführung, die schon länger schwelen. Ein Beispiel dafür sind die Gerüchte über eine Festnahme des Kommandeurs der Luftlandetruppen, die am Wochenende Anlass für die angebliche Ankündigung einer Revolte der 7. Garde-Luftsturm-Division war. Schon im Januar hatten mehrere Kriegsblogger berichtet, General Teplinskij sei abgesetzt worden, weil er sich geweigert habe, Fallschirmjäger in den sicheren Tod zu schicken.

Das Verteidigungsministerium hatte diese Entlassung zwar dementiert, aber Teplinskij selbst – über den sich Prigoschin öffentlich positiv geäußert hat – hat diese Gerüchte genährt, als er in einer Videoansprache zum „Tag der Vaterlandsverteidiger“ am 23. Februar sagte, es habe sich „so ergeben“, dass er schon mehr als einen Monat nicht an der Front sei, wohin er gerne zurückwolle. Er appellierte an die Truppenkommandeure: „Schont eure Soldaten. Zahlt nicht für die Einnahme von Dörfern und Höhen mit Soldatenleben!“

Nach Einschätzung des amerikanischen Thinktanks Institute for the Study of War hat Teplinskijs Schicksal allerdings auch dazu beigetragen, Kommandeure zu ermutigen, sich dem Duo Schojgu/Gerassimow zu widersetzen und sich mit ihren Anliegen direkt an Putin zu wenden. Teplinskij soll unter Mobilisierung von Veteranenorganisationen im März dazu beigetragen haben, dass Prigoschins Klagen über die schlechte Behandlung der Wagner-Söldner durch die Armeeführung bei Putin vorgetragen wurden. Damals hat es ihm nicht geschadet – im Gegenteil: Mitte April hat Kremlsprecher Dmitrij Peskow, der bei Fragen russischer Journalisten zur Armee sonst stets an das Verteidigungsministerium verweist, persönlich bekräftigt, dass Teplinskij Chef der Luftlandetruppen bleibe. Das musste unter den Generälen als Gunstbeweis Putins unter Umgehung Schojgus verstanden werden.

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