Wissenschaft

#Natur-Erfahrungen können Schmerzen lindern

Zeit in der Natur zu verbringen, ist nicht nur gut für die Psyche, sondern verringert auch akute körperliche Schmerzen, wie eine Studie belegt. Demnach hemmen die Naturerfahrungen die Schmerzverarbeitung im Gehirn. Anders als Placebos reduziert die “grüne Medizin” jedoch nicht die Schmerzbewertung, sondern den Schmerzauslöser. Dieser Effekt tritt sogar bei virtueller Natur ein. Wir müssen demnach nicht zwingen raus gehen, sondern können auch Naturvideos schauen, um unsere Schmerzen zu lindern, berichtet das Team in „Nature Communications“.

Ob in Parks, Wäldern oder am Meer – sich draußen aufzuhalten, kann nachweislich das Stressniveau senken. Die Geräusche, Farben und Gerüche der Natur wirken auf uns entspannend und beruhigend. Darüber hinaus wirkt die Natur offenbar schmerzlindernd. „Aus einer aktuell laufenden Studie wissen wir, dass Menschen zuverlässig weniger Schmerz empfinden beziehungsweise davon berichten, wenn sie natürlichen Umgebungen ausgesetzt sind“, berichtet Seniorautor Claus Lamm von der Universität Wien. „Bisher war allerdings unklar, warum das so ist.“

Wie Naturerfahrungen akute körperliche Schmerzen lindern, haben Forschende um Lamm und Erstautor Maximilian Steininger von der Universität Wien daher in einer zweiten Studie näher untersucht. Dafür verabreichten die Neurowissenschaftler 49 Testpersonen mehr oder weniger schmerzhafte Elektroschocks und zeichneten gleichzeitig mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) deren Hirnaktivität auf. Zudem befragten sie die Probanden zu ihrer subjektiven Schmerzwahrnehmung auf einer Skala von null bis acht. Die Teilnehmenden hielten sich dabei jedoch nicht tatsächlich draußen in der Natur auf, sondern schauten je ein Video samt Ton. Eines der drei Testvideos zeigte eine Szene in der freien Natur, die anderen beiden einen neutralen Büroraum und eine stressige städtische Szene.

Schon Natur per Video wirkt

Die Auswertung ergab, dass die Probanden schon beim Betrachten des Naturvideos akute Schmerzen als weniger intensiv und unangenehm bewerteten als beim Schauen der beiden Vergleichsszenen. Die Hirnscans enthüllten zudem, dass einige der Areale im Gehirn, die mit Schmerzen verbunden sind, beim Betrachten der Natur weniger aktiv waren. Dazu zählen der Thalamus, der sekundäre somatosensorische Kortex (S2) und die hintere Inselrinde (pINS). Das legt nahe, dass die Schmerzlinderung keine Einbildung, sondern ein echter Effekt infolge der Ablenkung ist. Doch wie kommt er zustande?

„Die Schmerzverarbeitung setzt sich wie ein Puzzle aus einzelnen Teilen zusammen, die im Gehirn unterschiedlich verarbeitet werden. Einige Puzzleteile bestimmen unsere emotionale Schmerzreaktion, also etwa, ob wir ihn als unerträglich empfinden. Andere Puzzleteile betreffen die dem Schmerz zugrundeliegenden körperlichen Signale, also etwa Informationen darüber, wo im Körper der Schmerz lokalisiert ist und wie intensiv er gerade ist“, erklärt Steininger. Placebos lindern Schmerzen in der Regel, indem sie unsere emotionale Reaktion auf den Schmerz verändern. Das Betrachten von Natur tut dies auch, reduziert aber zusätzlich vor allem die frühen, körperbezogenen Schmerzsignale im Gehirn, die über einen neuronalen Schaltkreis mit Nocizeptoren verarbeitet werden, wie die Tests ergaben. „Der Natur-Effekt scheint also weniger mit den Erwartungen und Emotionen der Teilnehmenden zu tun zu haben, sondern mehr mit der Veränderung von zugrundeliegenden Schmerzsignalen“, schließt Steininger. Demnach reagiert unser Gehirn beim Betrachten der Natur tatsächlich schwächer auf den körperlichen Auslöser des Schmerzes.

Spaziergänge gegen Schmerzen

Gängige Schmerztherapien umfassen vor allem schmerzlindernde Medikamente. Die Erkenntnisse belegen nun, dass die Natur dabei helfen kann, Schmerzen zu lindern. Demnach könnten die Pillen und Spritzen künftig durch naturbasierte Therapien sinnvoll ergänzt werden. Das könnten ärztlich oder selbst verordnete Ausflüge in die virtuelle Natur sein – etwa in Form von Filmen oder Virtual Reality. Diese Techniken bieten Menschen einen einfachen und niedrigschwelligen Weg, um ihre Schmerzen zu lindern.

„Ob die Ergebnisse auf reale Kontexte übertragbar sind, muss noch geprüft werden“, betonen die Forschenden. Folgestudien könnten klären, ob Spaziergänge in der freien Natur genauso oder noch stärker schmerzlindernd wirken. Da solche Ausflüge mehr Sinne ansprechen als Videos – etwa über Gerüche –, soll dabei auch geklärt werden, wie die Natur ihre Wirkung am besten entfaltet. „Um herauszufinden, welche spezifischen sensorischen Elemente und deren Kombination natürliche Umgebungen besonders wirksam bei der Schmerzlinderung machen, bedarf es weiterer Forschung“, so das Team. Unklar ist auch noch, ob die Natur auch chronische Schmerzen lindern kann oder nur akute Schmerzen.

Quellen: Universität Wien; Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-56870-2

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!