#Neue Knochen aus dem Drucker
Inhaltsverzeichnis
„Neue Knochen aus dem Drucker“
Der Drucker sieht aus wie eine futuristische Mikrowelle. Schicht um Schicht verschmelzt in seinem Innern im sogenannten „Fused Filament Fabrication“-Druckverfahren ein Kunststoffgemisch zu einem Gerüst mit stabiler Hülle und offenporigem Kern. Ein Knochensegment entsteht, dessen vergrößertes Anschauungsmodell Ähnlichkeiten mit einem Schweizer Käse aufweist. Eva Schätzlein, Doktorandin im Team von Andreas Blaeser am Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt, erklärt, warum: „Der Ersatz sollte idealerweise die Funktionen eines echten Knochens nachahmen. Er muss beispielsweise stützen und gleichzeitig Poren für das Einwachsen von Blutgefäßen beinhalten.“
Knochen sind kein lebloses Material, sondern bestehen aus Zellgewebe. Die Zellen sorgen dafür, dass sich die Knochen unseres Skeletts erneuern und kleine Risse oder Brüche heilen. Größere Defekte, die nach einem Unfall oder der Entnahme eines Tumors auftreten, kann der Körper jedoch nicht selbständig ausheilen. An dieser Stelle müssen meist Implantate eingesetzt werden. Heute wird Patienten dafür Material aus dem Becken oder von anderen Knochen entnommen.
Zum Geburtstag von F+ lesen Sie alle Artikel auf FAZ.NET für nur 3 Euro im Monat.
Ein Eingriff, auf den möglicherweise verzichtet werden könnte, geht es nach dem Darmstädter Forscherteam. „Implantate könnten in Zukunft durch eine Kombination aus lebenden Zellen und hybrid gedruckten Verstärkungsstrukturen erzeugt werden“, sagt TU-Wissenschaftlerin Schätzlein. Der Knochenersatz könnte künftig aus dem 3-D-Drucker kommen.
Medizintechnik seit Wintersemester 2018/19
Im Wintersemester 2018/19 hat die TU ihr Angebot um den Kooperationsstudiengang Medizintechnik zusammen mit der Frankfurter Goethe-Universität erweitert. Auch die biomedizinische Drucktechnologie ist noch eine junge Disziplin in Darmstadt. 2019 kam sie zum Fachbereich Maschinenbau hinzu. Andreas Blaeser leitet das Fachgebiet, das sich auf die Erforschung und Entwicklung von 3-D-Biodrucksystemen fokussiert.
Der Professor forscht schon länger an unterschiedlichen Anwendungen auf diesem Feld, Implantate für die regenerative Medizin wie der Knochenersatz sind eine Möglichkeit; In-vitro-Gewebemodelle, die Tierversuche ersetzen könnten, ein weiterer Forschungsansatz. Das gilt auch für die „Human-on-a-chip“-Forschung, bei der sich Teile und die Funktionsweise eines Organes auf einem Chip nachstellen lassen. Sogar Fleischalternativen kann der 3-D-Drucker liefern.
An neuartigem Knochenersatz aus dem Drucker wird bereits seit Jahren geforscht. „Unser Forschungsansatz zeichnet sich maßgeblich durch den Einsatz eines Filament-basierten, hybriden 3-D-Biodruckverfahrens und den eingesetzten Kompositwerkstoff aus“, betont Blaeser.
Entwickelt hat das Team ein Verbundmaterial aus dem Kunststoff Polymilchsäure (PLA) und einem Bioglas. In ihrer Dissertation arbeitet Eva Schätzlein an der optimalen Mischung. Ziel ist es, eine Struktur oder ein Gerüst zu schaffen, in dem Blutgefäße einwachsen und Zellen anhaften können. „Die biologischen Aspekte von Bioglas sind dabei zentral“, sagt sie.
Beide Substanzen, PLA und Bioglas, werden im Körper abgebaut, müssen nicht durch eine weitere schmerzhafte OP beim Patienten wieder entfernt werden. Der Abbau von Polymilchsäure geht allerdings sauer vonstatten, was Entzündungsreaktionen hervorrufen könnte.
„Zellfreundliches Druckverfahren ist Pionierarbeit“
„Wir untersuchen, inwieweit die Kombination mit Bioglas diesen Effekt ausgleichen kann“, erklärt Schätzlein. Sie will zudem herausfinden, welche Auswirkung das Material auf die Rekrutierung von Knochenzellen und die Förderung der Knochenneubildung hat. Das Stützgerüst, das mithilfe des Druckverfahrens aus dem Verbundmaterial entsteht, ist eine ideale Wachstumsumgebung für das Knochengewebe.
Alle Probleme sind aber noch nicht gelöst. „Bisher stellt die erzielbare Größe der mit lebenden Zellen besiedelten Ersatzstrukturen aufgrund der limitierten Nährstoffversorgung eine Herausforderung dar“, sagt Schätzlein. Gewebe, das nicht ausreichend versorgt ist, könnte absterben. Dennoch: „Das Zusammenführen der unterschiedlichen Werkstoffklassen in einem zellfreundlichen Druckverfahren ist Pionierarbeit“, lobt der Professor die Doktorandin.
Werktags um 21.00 Uhr
Das Forschungsprojekt läuft in Kooperation mit dem Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Mainzer Gutenberg-Universität und der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Frankfurter Goethe-Uni. Ein Knochenersatz aus PLA wurde bereits erfolgreich in einem Tierversuch getestet, auch die PLA-Bioglas-Gerüste sollen zusammen mit den Kollegen in Mainz und Frankfurt erprobt werden.
Die TU Darmstadt bildet mit der Gutenberg- und der Goethe-Universität die Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU). Deren Initiativfonds Forschung fördert die Darmstädter Untersuchungen zum Knochenersatz. Derzeit erarbeiten Blaeser und Schätzlein mit den RMU-Kollegen ein Baukastensystem. Darin enthalten sind verschiedene Segmente gedruckter Knochengerüste. Die könnten im Notfall bei einer Operation schnell eingesetzt werden.
Der Knochenersatz aus dem Drucker kann ganz individuell geformt werden. Es reicht eine Aufnahme der Fraktur oder des Traumas per Computertomographie, um eine anatomisch perfekt passende Druckdatei zu berechnen. „Wir betreiben Grundlagenforschung, die in Zusammenarbeit mit den Kliniken auch schnell anwendbar ist“, betont Blaeser.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.