Wissenschaft

#Neuer Blick auf die kosmische Hintergrundstrahlung

Rund 380.000 Jahre nach dem Urknall wurde unser Universum erstmals transparent und die erste Strahlung wurde freigesetzt. Jetzt haben Astronomen die bisher genaueste Kartierung dieser kosmischen Hintergrundstrahlung veröffentlicht. Die im Laufe von fünf Jahren erstellten Aufnahmen des Atacama Cosmology Telescope (ACT) in Chile repräsentieren ein “Babybild” unseres Universums, denn sie zeigen, wie Energie und Materie in dieser frühen Anfangszeit des Kosmos verteilt waren. Die neue Kartierung des Mikrowellenhintergrunds liefert aber auch Informationen über entscheidende kosmologische Parameter wie das Alter des Universums, die Anteile von Materie, Dunkler Materie und Dunkler Energie sowie über die Hubble-Konstante und die Rate der kosmischen Expansion in dieser frühen Ära.

In den ersten hunderttausenden Jahren nach dem Urknall war unser Universum extrem hell, heiß und undurchsichtig. Denn noch hatten sich die ersten Teilchen nicht zu Atomen vereint. Dadurch hatte die Strahlung keine freie Bahn, sie wurde von den geladenen Teilchen des primordialen Plasmas abgelenkt, absorbiert und wieder emittiert. Das änderte sich erst rund 380.000 Jahre nach dem Urknall, nachdem das Universum weiter abgekühlt war und sich bereits ausgedehnt hatte. Weil die ersten Atome entstanden, konnte sich die elektromagnetische Strahlung von der Materie entkoppeln und ungehindert ausbreiten – das Universum wurde erstmals transparent. Reste dieser ersten Strahlung sind bis heute erhalten, wenn auch stark gedehnt und in den Mikrowellenbereich verschoben. Diese kosmische Hintergrundstrahlung lässt sich überall und in allen Richtungen nachweisen, ist aber sehr schwach. Dennoch liefern die subtilen Unterschiede in diesem Strahlungsteppich wertvolle Informationen über den Urzustand des Kosmos und die Verteilung von Materie und Energie zu jener frühen Zeit – quasi ein Babybild unseres Universums.

Fünffach höhere Auflösung als die Planck-Kartierung

Jetzt haben Astronomen das bislang klarste Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung veröffentlicht. Für ihre Kartierung werteten sie fünf Jahre der Beobachtungen des Atacama Cosmology Telescope (ACT) in Chile aus, einem auf Millimeterwellen ausgelegten Teleskop auf dem 5.190 Meter hohen Cerro Toco in Chile. Die aktuelle Kartierung beruht auf Daten, die das Teleskop mithilfe optimierter Empfänger in seiner letzten Beobachtungsphase von 2017 bis 2022 gesammelt hat. Die daraus erstellten Aufnahmen des komischen Mikrowellenhintergrunds zeigen das Universum, als es etwa 380.000 Jahre alt war. “Indem wir zu jener Zeit zurückblicken, als die Dinge viel einfacher waren, können wir die Geschichte rekonstruieren, wie sich unser Universum zu dem reichen und komplexen Ort entwickelt hat, an dem wir uns heute befinden”, erklärt die Leiterin der ACT-Analyse, Jo Dunkley von der Princeton University.

Die neuen Aufnahmen ergänzen frühere Kartierungen der kosmischen Hintergrundstrahlung durch das Südpolteleskop oder den europäischen Satelliten Planck. Dieser hatte 2013 die bisher umfassendste und genaueste Karte des Mikrowellenhintergrunds erstellt. “ACT hat die fünffache Auflösung von Planck und eine größere Empfindlichkeit”, sagt Sigurd Naess von der Universität Oslo. Dadurch zeigt das neue “Babybild” nicht nur das Verteilungsmuster der frühen Strahlung und damit indirekt auch der Materie, es zeigt auch die Polarisation der Hintergrundstrahlung direkter und genauer als bisher möglich. Dies erlaubt Rückschlüsse darauf, wie sich die primordialen Gase bewegten: “Früher konnten wir sehen, wo sich Dinge befanden, und jetzt sehen wir auch, wie sie sich bewegen”, sagt ACT-Direktorin Suzanne Staggs von der Princeton University. “Wie bei Gezeiten, die die Anwesenheit des Mondes vermuten lassen, zeigt die durch die Polarisation des Lichts verfolgte Bewegung, wie stark die Anziehungskraft der Schwerkraft in verschiedenen Teilen des Raums war.” Zwar gebe es andere Teleskope, die die Polarisation des Mikrowellenhintergrunds ähnlich deutlich zeigten, keiner davon könne jedoch einen so großen Himmelsbereich abdecken wie ACT.

Alter, Massenanteile und Rate der Expansion

Die neue Kartierung des kosmischen Hintergrundstrahlung ermöglicht es Astronomen, einige wesentliche Eigenschaften des Kosmos zu überprüfen. Die erste ist das Alter des Universums, das sich an der Größe bestimmter Wellenmuster in den Daten ablesen lässt. Die neuen Daten bestätigen mit einer Unsicherheit von nur 0,1 Prozent, dass das Universum 13,8 Milliarden Jahre alt ist. “Ein jüngeres Universum hätte schneller expandieren müssen, um seine aktuelle Größe zu erreichen, und die Bilder, die wir messen, würden uns näher erscheinen”, erklärt Mark Devlin von der University of Pennsylvania. “Das scheinbare Ausmaß der Wellen in den Bildern wäre in diesem Fall größer, so wie ein Lineal nahe am Gesicht größer erscheint als eines, das eine Armlänge entfernt gehalten wird.” Die Messdaten erlauben es auch, die Massen und Anteile verschiedener Materieformen im Kosmos genauer aufzuschlüsseln. “Den Messungen nach erstreckt sich das beobachtbare Universum fast 50 Milliarden Lichtjahre in alle Richtungen von uns und enthält rund 1.900 Zetta-Sonnenmassen – fast zwei Billionen Billionen Sonnenmassen”, berichtet Erminia Calabrese von der Cardiff University. Die Masse der normalen Materie nimmt davon nur rund 100 Zetta-Sonnenmassen ein, weitere 500 Zetta-Sonnenmassen entfallen auf die Dunkle Materie. Der Rest von rund 1.300 Zetta-Sonnenmassen entspricht größtenteils der Dunklen Energie, einer noch immer rätselhaften Kraft, die das Universum auseinandertreibt.

Neue Erkenntnisse bringt die ACT-Kartierung auch zur kosmischen Expansion, der eng mit ihr verknüpften Hubble-Konstante und zu den Diskrepanzen in den Messungen. Denn Messdaten die aus der komischen Hintergrundstrahlung abgeleitet sind, darunter vor allem die Planck-Kartierung, ergaben konsistent eine Hubble-Konstante von 67 bis 68 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Astronomische Studien auf Basis von Entfernungsmessungen von Supernovae, veränderlichen Sternen, Roten Riesen und anderen kosmischen Objekten liefern hingegen fast alle einen deutlich höheren Wert für die Hubble-Konstante von bis zu 73 bis 74 km/s/Mpc. Die neuen ACT-Daten klären diese Diskrepanz nicht, sondern bestätigen sie: “Es war für uns etwas überraschend, dass wir nicht einmal teilweise Beweise zur Unterstützung des höheren Werts gefunden haben”, sagt Staggs. Stattdessen stimmt die aus der neuen Kartierung abgeleitete Hubble-Konstante mit denen von Planck und anderen auf der Hintergrundstrahlung beruhenden Werten überein. Damit spricht die neue Kartierung gegen Modelle, die eine höhere Expansionsrate oder die Existenz noch unentdeckter Effekte im frühen Kosmos postulieren. “Die ACT-Daten zeigen keine Beweise für solche neuen Signale. Mit unseren neuen Ergebnissen hat das Standardmodell der Kosmologie einen außerordentlich präzisen Test bestanden”, betont Colin Hill von der Columbia University in New York.

Quelle: ACT Collaboration, Global Physics Summit 2025; Journal of Cosmology and Astroparticle Physics submitted

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