Neuer SWR-Staatsvertrag: kein großer Wurf

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Der Südwestrundfunk (SWR) ist die ARD-Anstalt für die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Mit 3600 festen Mitarbeitern und einem Budget von rund 1,3 Milliarden Euro, davon 1,1 Milliarden Euro aus dem Rundfunkbeitrag, ist der SWR der zweitgrößte ARD-Sender. Parallel zum Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt haben die Landesregierungen für die Zweiländeranstalt einen neuen Staatsvertrag vereinbart. In den kommenden Tagen wollen ihn die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Alexander Schweitzer unterschreiben. Anschließend müssen die Landtage votieren.
Die Präambel verspricht Großes. Aus der Beitragsfinanzierung erwachse die Verpflichtung, die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite mit Qualitätsangeboten zu versorgen, heißt es da. An die Verwendung der Beitragsgelder seien „höchste Sorgfaltsmaßstäbe“ anzulegen. Das klingt gut, doch ist die Frage, ob genügend Stellschrauben vorhanden sind, um das Gebot ins Werk zu setzen.
Zu den wichtigsten Veränderungen gehört von 1. Januar 2027 an der Verzicht auf zwei Landesfunkhäuser mit entsprechenden Direktoren und Landesrundfunkräten. Der SWR produziert künftig sein TV-, Hörfunk- und Onlineangebot in Mainz, Stuttgart und Baden-Baden. Es werden Doppelstrukturen abgebaut, die noch aus der Fusion des Süddeutschen Rundfunks und des Südwestfunks zum SWR aus dem Jahr 1997 resultieren. Verbunden ist dies mit einer Verstärkung des regionalen Angebots. Dies wird über einen 30-Prozent-Anteil für landesspezifische Inhalte bei den Neuproduktionen des SWR für sein gesamtes Programm und die eigenen Portale erreicht. Der SWR, so die Staatsvertragsnovelle, sei in besonderem Maße der regionalen Berichterstattung verpflichtet. Eine flächendeckende lokale Berichterstattung ist verboten. Die Zahl der linearen Radiokanäle wird von acht auf sechs reduziert, geführt wird der SWR künftig von einem Direktorium mit dem Intendanten an der Spitze. Die Aufsichtsgremien Verwaltungsrat und Rundfunkrat werden verkleinert.
Reduzierung der Hörfunkangebote stieß auf Widerstand
Der Sender, der für die Zulieferungen zum Ersten mit einer Quote von 18,1 Prozent den zweitgrößten Anteil der ARD-Anstalten aufbringt, soll auch künftig „ein wesentliches Kraftzentrum“ im Senderverbund darstellen. Erst kürzlich hatte der SWR deshalb entschieden, bislang in Eigenproduktion hergestellte Formate von 2026 an schrittweise an externe Produktionsfirmen zu vergeben und Studioflächen am Standort Baden-Baden zu reduzieren.
Die Reduzierung der Hörfunkangebote stieß bei der Anhörung auf Widerstand des SWR. Im jetzt vorliegenden Entwurf sind Auseinanderschaltungen auch in Programmen, die der Darstellung der Regionen dienen, zulässig. In den übrigen Hörfunkprogrammen sollen ebenfalls regionalisierte Auseinanderschaltungen erlaubt sein: bei Serviceinformationen wie Wetterberichten und Verkehrsnachrichten. Die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab (SPD) betont im Gespräch mit der F.A.Z., dass der SWR „Kooperationsmöglichkeiten mit privaten Medienunternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz in den Blick“ nehmen kann. Kooperationen bürgten für Flexibilität und wirkten sich positiv auf die wirtschaftliche Verwendung von Beitragsmitteln aus.
Regionalität und die Darstellung von Landesidentitäten sind nach Ansicht von Rudi Hoogvliet (Grüne), Medienstaatssekretär in Baden-Württemberg, Garanten für die Akzeptanz der Angebote des SWR bei den Bürgern. Dementsprechend setze der Staatsvertrag hier einen Schwerpunkt und lege die Verpflichtung des SWR zu regionaler Berichterstattung fest. Von einer starren Quote für die landesspezifische Auseinanderschaltung des linearen Fernsehens habe man Abstand genommen worden. Bei der stärkeren Regionalisierung hätten die beiden Länder auch die vielfältige private Hörfunklandschaft und Presselandschaft nicht aus den Augen verloren, sagt Heike Raab. Daher sei es dem SWR in seiner Popwelle mit Ausnahme der Serviceinformationen (Wetter und Verkehr) nicht erlaubt, sein Programm regional auseinanderzuschalten. Die Einhaltung der Regeln überprüften künftig die neu eingerichteten Landesprogrammausschüsse des Rundfunkrats.
KEF hatte eine Reduzierung der Intendantengehälter angemahnt
Der Verband privater Medien VAUNET bewertet dagegen kritisch, dass der SWR in „besonderem Maße“ zur regionalen Berichterstattung verpflichtet wird. Das verschärfe den publizistischen Wettbewerb mit den lokalen und regionalen privaten Medien „enorm“. Dass im Hörfunk kein Einstieg in den Werbeausstieg erfolge, sei zu bemängeln. Auch gebe es bei einigen Hörfunkprogrammen nur eine offene Beauftragung, obwohl die Festsetzung des Finanzbedarfs eines konkreten Auftrags bedürfe.
Mit dem Direktorium wird im SWR ein Kollegialorgan geschaffen. Beim ersten Entwurf fehlten jedoch Festlegungen zur außertariflichen Vergütung, also auch zum Intendantengehalt. Hier wurde inzwischen nachgebessert. Demnach orientiert sich die Höhe der Gesamtvergütung an den Bezügen im öffentlichen Sektor einschließlich vergleichbarer öffentlicher Unternehmen. Was das angeht, sind andere Bundesländer indes schon weiter: Das Gesetz über den Saarländischen Rundfunk (SR) sieht eine Deckelung des Intendantengehalts vor. Künftig wird der oder die SR-Intendantin maximal rund 180.000 Euro im Jahr verdienen. Der amtierende Intendant Martin Grasmück kommt auf ein jährliches Grundgehalt von etwa 245.000 Euro. Ein Chef oder eine Chefin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) darf nicht mehr verdienen als Minister oder Senatorinnen beider Länder. Der Staatsvertrag beschreibt ein Gehalt „äquivalent zur Besoldungsgruppe B 11“. Das entspricht einem Grundgehalt von rund 180.000 Euro. Die geschasste RBB-Intendantin Patricia Schlesinger kam auf 303.000 Euro. Die jährliche Vergütung des SWR-Intendanten Kai Gniffke beträgt 404.480 Euro. Die Beitragskommission KEF hatte eine Reduzierung der Intendantengehälter angemahnt.
Neu sind im SWR-Staatsvertrag Festlegungen zu Compliance. Auf Gegenwehr, vor allem bei Verbänden, sorgte die Verkleinerung der Kontrollgremien sowie die konkretere Beschreibung ihrer Aufgaben. Künftig gehören dem Rundfunkrat nur noch 57 anstelle von 72 Mitgliedern an. Der Verwaltungsrat wird von 17 auf 15 Personen reduziert. Auch sollen die Mitglieder dieses Gremiums über die dafür erforderliche Qualifikation verfügen. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet eine „verstärkte politische Einflussnahme auf den SWR“. Laut Gesetzentwurf soll der Ausschuss des Landtags die Einzelpersonen wählen, die im Rundfunkrat sitzen, sowie auch deren Vertreter aus einem Korb mehrerer Kandidaten bestimmen, falls die Verbände sich nicht einigen können. Hinzu kämen insgesamt zehn Sitze für Abgeordnete beider Landtage, deren Gewicht im baden-württembergischen Teil des Rundfunkrats prozentual von 15,68 Prozent auf 20 Prozent steigt.
Die Landesregierungen sind mit ihrem Werk erwartungsgemäß zufrieden. Die oppositionelle FDP im Landtag von Baden-Württemberg bezweifelt indes, dass „im Wesentlichen kosmetische Veränderungen an der Gremienstruktur und eine längst beschlossene Reduktion der Hörfunkprogramme ausreichen, verlorenes Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederherzustellen“.
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