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#Neutrophile können Krebs bekämpfen

Im Kampf gegen Krebs spielen bestimmte Immunzellen offenbar eine doppelte Rolle: Bislang waren sogenannte neutrophile Granulozyten vor allem dafür bekannt, das Tumorwachstum zu fördern. Eine Studie zeigt nun jedoch, dass sie unter bestimmten Bedingungen auch wirksame Waffen gegen den Krebs sein können. Damit sind sie entscheidend daran beteiligt, ob eine Immuntherapie gegen Krebs erfolgreich verläuft oder scheitert. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, zukünftig gezieltere und wirksamere Immuntherapien zu entwickeln.

Immuntherapien gegen Krebs verstärken die Fähigkeit von Immunzellen, entartete Zellen zu erkennen und zu beseitigen. Dabei zielen sie vor allem auf die T-Zellen, die Teil des adaptiven Immunsystems sind. Bei manchen Krebsarten, darunter schwarzem Hautkrebs und Lungenkrebs, können solche Therapien für einige Patienten den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Heilung bedeuten. In vielen Fällen allerdings bewirkt eine Immuntherapie nicht den gewünschten Erfolg. Warum Immuntherapien bei manchen Patienten wirken und bei anderen versagen, ist bisher noch weitgehend unklar.

Angeborenes Immunsystem unterstützt Krebsabwehr

Ein Team um Jeremy Gungabeesoon von der Harvard Medical School in Boston hat nun einen wichtigen Faktor identifiziert, der zum Gelingen oder Scheitern einer Immuntherapie beiträgt. „Um fortschrittliche Behandlungen zu entwickeln, die Immuntherapien zu einer echten therapeutischen Revolution machen, ist es wichtig, die beteiligten Immunkomponenten zu entschlüsseln“, sagt Gungabeesoons Kollege Mikael Pittet. Einen Fokus legte das Team auf die sogenannten neutrophilen Granulozyten. Diese sind Teil des angeborenen Immunsystems und machen den größten Teil der Immunzellen im Blut aus. Bei Infektionen und Verletzungen setzen sie rasch antimikrobielle Faktoren frei und zählen damit zu den ersten, die Krankheitserreger bekämpfen. Im Zusammenhang mit Krebs wurde jedoch nachgewiesen, dass sie die Gefäßbildung und das Wachstum des Tumors fördern können.

Um die Rolle der Neutrophilen bei Krebs genauer zu verstehen, verabreichte das Team Mäusen mit Lungenkrebs eine Immuntherapie. Bei Tieren, deren Tumoren gut auf die Behandlung ansprachen, stellten die Forscher fest, dass sich die Anzahl der Neutrophilen in der Lunge zwei Tage nach der Behandlung mehr als verdoppelt hatte. „Dieses erste Ergebnis stand im Widerspruch zu dem, was über die Rolle der Neutrophilen bei Krebs bekannt war“, erklärt Gungabeesoons Kollege Allon Klein. „Das veranlasste uns dazu, weiter zu gehen, um die Gründe zu verstehen.“

Neutrophile vielfältiger als gedacht

In einer Reihe weiterer Experimente stellte das Team fest, dass die Neutrophilen vielfältiger sind als bisher angenommen. „Diejenigen, die wir als Reaktion auf Immuntherapien beobachten, unterscheiden sich stark von denen, die in fortschreitenden Tumoren entdeckt werden, und tragen unterschiedliche Marker“, berichtet Klein. Eine wichtige Rolle spielt dabei offenbar der Transkriptionsfaktor IRF1, der auf den Entzündungsbotenstoff Interferon reagiert. Unterdrückten die Forschenden IRF1 in den Neutrophilen der Mäuse, führte dies zum Scheitern der Immuntherapie.

Zusätzlich werteten Gungabeesoon und sein Team die Daten einer kleinen klinischen Studie zur Immuntherapie bei menschlichen Patienten mit Lungenkarzinomen aus. Auch hier zeigte sich, dass Patienten mit einer starken Reaktion der Neutrophilen einen besseren Krankheitsverlauf hatten und häufiger überlebten. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine durch die Therapie ausgelöste systemische neutrophile Reaktion positiv mit dem Krankheitsverlauf bei Lungenkrebspatienten korrelieren kann“, folgert das Team. Allerdings flossen nur Daten von 78 Patienten in die Studie ein, sodass die Aussagekraft bislang begrenzt ist.

Kombi-Therapie für doppelten Immunangriff?

In zukünftigen Studien will sich das Team weiter mit der Rolle der Neutrophilen bei Krebs beschäftigen. „Es scheint, dass das Schicksal der Neutrophilen, die für oder gegen einen Tumor wirken, bereits bei ihrer Bildung im Knochenmark festgelegt wird“, erklärt Mikael Pittet. „Wäre es dann möglich, sie bei der Tumorbekämpfung zu manipulieren? Das wollen wir jetzt erforschen.“ Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Neutrophile in der Lage sein könnten, Krebszellen zu beseitigen, die sich vor den T-Zellen verstecken. „Daher könnten Krebsimmuntherapien, die eine Anti-Tumor-T-Zell-Immunität in Kombination mit Therapien induzieren, die die Anti-Tumor-Neutrophilen optimal ansprechen zu einer dauerhafteren Tumorkontrolle nach der Behandlung führen“, so die Forscher.

Quelle: Jeremy Gungabeesoon (Harvard Medical School, Boston, Massachusetts, USA) et al., Cell, doi: 10.1016/j.cell.2023.23.032

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