#„Normalerweise gehe ich nicht wählen“
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„„Normalerweise gehe ich nicht wählen““
Der Mann mit dem Koffer und der E-Zigarette hat an diesem Morgen Glück, dass die Deutsche Bahn gewohnt unzuverlässig ist. Er wartet vor der Weißfrauenschule im Bahnhofsviertel, es ist 7.53 Uhr. Sein Zug fährt um 8.09 Uhr – eigentlich. „Jetzt hat er Verspätung, 8.16 Uhr sagt die App.“
Drinnen ist das Licht an, die Wahlhelfer sind da. Das mit der Briefwahl sei ihm durchgerutscht, erzählt der Mann. „Wenn ich jetzt einfach weggefahren wäre, hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt.“ Die Wahl sei in seinem Freundeskreis sehr diskutiert worden und wegen der vorausgegangenen Abwahl von Peter Feldmann „sehr aufgeladen“. Der Mann ist der einzige Wählwillige weit und breit, aber eine Ausnahme gibt es für ihn nicht, erst pünktlich um 8 Uhr darf er rein. Um 8.03 Uhr eilt er Richtung Bahnhof.
Rund 509.000 Wahlberechtigte in Frankfurt stimmen an diesem Sonntag über ihren neuen Oberbürgermeister ab. 20 Kandidaten haben sich aufgestellt, so viele wie noch nie zuvor in der Geschichte der Stadt. Vielen hat das die Entscheidung aber nicht erschwert. Mathias und Jörg etwa, die um kurz nach 8 Uhr aus dem Wahllokal kommen, sie wollen gleich zum Sport.
„Vor der Wahl Show-Straßenfegen“
Beide leben seit Jahren im Bahnhofsviertel, ihre vollen Namen nennen sie lieber nicht. Ihre Wahl ist auf den CDU-Kandidaten Uwe Becker gefallen. „Hier muss sich was tun“, sagt Jörg mit Blick auf die Straße. „Die CDU ist die einzige Partei, die hier für Ordnung sorgen will. Alle anderen lassen es so, wie es ist.“ Kein Mensch schere sich um den Müll, der im Bahnhofsviertel jeden Tag anfalle. „Jetzt vor der Wahl gab es Show-Straßenfegen“, sagt Jörg, jeden Tage kämen Reinigungskräfte mit Polizeischutz. Mathias sagt: „Das löst das Problem nicht. Wenn die Leute sehen, dass es weggemacht wird, machen sie nur weiter.“
Links der eine, rechts der andere: In der Franckeschule in Bockenheim wählen gleich zwei Wahlbezirke.
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Bild: Saskia Stöhr
Auch Florian Mazurkewitz hat eben seine Stimme abgegeben. „Normalerweise gehe ich nicht wählen, auch nicht bei Bundestagswahlen“, sagt der 43 Jahre alte Mann mit Eintrachtmütze. „Ich habe früher viele Parteien gewählt, außer die Rechten natürlich. Aber jeder verspricht immer nur was und hält es nicht.“ Jetzt aber kandidiere ein Freund von ihm, Yamòs Camara von der Freien Partei Frankfurt, „für ihn mache ich das“. Mazurkewitz findet es in Ordnung, dass der Oberbürgermeister in Frankfurt in erster Linie ein repräsentatives Amt ausübt. „Einerseits ist es ja gut, wenn er nicht so viel Macht hat. Aber es wäre auch gut, wenn er auf den Tisch hauen und machen könnte, was er für richtig hält.“
Am 5. März 2023 findet die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main statt. Vergleichen Sie die Antworten der Kandidaten mit Ihren Standpunkten.
Auf der südlichen Seite des Mains in Sachsenhausen herrscht reger Wahlbetrieb, anstehen muss im Wahllokal in der Schillerschule aber niemand. Für den 32 Jahre alten Jan Wagner ist es „eine Protestwahl“, wie er sagt. Der „Bahnbabo“ Peter Wirth hat seine Stimme bekommen. „Der ist schon ernst zu nehmen, gerade weil er so authentisch ist und verbunden mit der Stadt.“ Die etablierten Parteien hätten sich in der Vergangenheit „nicht mit Ruhm bekleckert“. Der Sachsenhäuser Wahlhelfer Eduard von Hahn berichtet, es sei bislang weniger los als bei der Abwahl von Peter Feldmann im November. „Jetzt geht es darum, jemand Neues zu wählen, das ist vielleicht weniger emotional, weniger spannend.“
Eine andere Anwohnerin Anfang 60 will nicht namentlich erwähnt werden, verrät aber, dass sie „im Herzen grün“ sei. „Viele haben Bedenken, dass noch mehr Verkehr nach Sachsenhausen rüberschwappt“, sagt sie. Auch die Wohnsituation sei problematisch, es gebe wenige günstige Wohnungen. Und ihr fehle die Wertschätzung für den Süden der Stadt. Viele Sachsenhäuser fühlten sich nicht wahrgenommen.
In der Franckeschule in Bockenheim wählen gleich zwei Wahlbezirke. Nicht jeder findet gleich den Eingang – der Wind bringt die Schilder mit den Pfeilen durcheinander. Hier scheint die Unterstützung für den SPD-Kandidaten Mike Josef groß zu sein. Die 25 Jahre alte Mareike Janssen gibt an, ihn gewählt zu haben, auch eine 72 Jahre alte Anwohnerin und eine Italienerin, die anonym bleiben möchten. Sie alle beschäftigt, wie stark die Mieten zuletzt gestiegen sind.
Die 80 Jahre alte Jutta Geese hat dagegen Manuela Rottmann von den Grünen ihre Stimme gegeben. „Der Klimawandel ist ein schier unlösbares Problem“, sagt sie. „Das geht auch ältere Leute an, vor allem, wenn sie Nachkommen haben.“ Das zentrale Ziel der Grünen-Kandidatin ist, Frankfurt bis 2035 klimaneutral zu machen. Ist Rottmann dafür die richtige Person? „Das weiß ich überhaupt nicht. Ich habe die Partei gewählt.“
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