„NS-Sprüche weder ein Scherz noch eine unreife Aktion“

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Nach dem Auftauchen von Abi-Motto-Vorschlägen im NS-Jargon an der Gießener Liebigschule hat sich auch der betroffene Abitur-Jahrgang 2026 klar von den Sprüchen distanziert. Er fordert Konsequenzen für die Urheber der im Internet geschriebenen Entgleisungen. Dabei handele es sich weder um einen jugendlichen Scherz noch eine „unreife Aktion“. Zuvor kritisierte schon der derzeitige Jahrgang in einem Post auf der Plattform Instagram die Verfasser. Die Polizei ermittelt von Amts wegen des Verdachts einer Straftat, führt aber noch keinen Beschuldigten. Ein Sprecher des Gießener Polizeipräsidiums dämpfte zudem die Hoffnung darauf, die Urheber rasch ausfindig zu machen.
Recherchen im Internet seien aufwendig. Zudem zähle der nächste Abi-Jahrgang 120 Schülerinnen und Schüler – wenn auch nur die Hälfte befragt werden müsse, sei das keine Sache weniger Tage. Es sei denn, jemand aus der Schule nenne den Ermittlern die Verfasser der in Rede stehenden Beiträge. Als Motto-Vorschläge waren unter anderem „NSDABI – Verbrennt den Duden“, „Abi macht frei“ und „Abi Akbar – Explosiv durchs Abi“ gepostet worden. Dies geschah allerdings nicht in einem personalisierten Chat in einem Messengerdienst. Aus der Schülerschaft war derweil zu hören, die Sprüche kursierten seit einiger Zeit schon auf Tiktok.
Vorschläge anonym auf Website gesammelt
Um ein Motto für das Abitur zu finden, nutzte das Komitee eine Internetseite, auf der anonym Vorschläge für Mottos gemacht werden konnten, wie es in der Erklärung des Jahrgangs heißt. Der Grund: Das Komitee habe eine große Auswahl an Mottos angestrebt und zwar personenunabhängig. Der Link zu der betreffenden Seite habe im Grunde nur für den kleinen Kreis des Jahrgangs gegolten, sei aber weiter verbreitet worden. Innerhalb kürzester Zeit seien die drei antisemitischen, rassistischen und diskriminierenden Sprüche auf der Internetseite eingelaufen. „Diese hatten viele Likes“, heißt es weiter. Allerdings sei es möglich gewesen, den Link als Einzelperson beliebig oft neu zu öffnen und somit die entsprechenden Mottos mehrfach zu liken. Das Komitee habe die Sprüche aber nicht zur Abstimmung gestellt, noch seien sie auf irgendeine Art und Weise gewählt worden.
Nachdem die Organisatoren der Mottowoche die Sprüche entdeckt hatten, schlossen sie die Internetseite wieder und informierten Schulleiter Dirk Hölscher, wie in der Stellungnahme zu lesen ist. „Wir sind überzeugt, dass es sich um wenige Einzelpersonen handelt und der größte Teil unseres Jahrgangs unbeteiligt ist. Im Gegenteil, Mitglieder unseres Jahrgangs haben sich dafür eingesetzt, dass der Vorfall schnellstmöglich gemeldet wird.“
Schule lobt Whistleblower für vorbildliche Haltung
Der Abi-Jahrgang wünsche sich ausdrücklich Konsequenzen für die Urheber der drei Sprüche, „denn wir stehen für Demokratie und Toleranz und können so einen Vorfall nicht dulden“. Statistiken zeigten einen deutlichen Anstieg solcher Vorfälle an hessischen Schulen – davon hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in der vergangenen Woche bei der Vorlage der Jahreszahlen zu judenfeindlichen Vorfällen in Hessen 2024 berichtet. „Deshalb wollen wir ein positives Beispiel für den Umgang mit antisemitischen, rassistischen, diskriminierenden und demokratiefeindlichen Vorfällen sein und fordern auf, genau hinzusehen und zu handeln, denn gerade mit Blick auf den aktuellen politischen Rechtsruck ist das besonders wichtig“, schreiben die Schüler.
Die Schulleitung dankte in ihrer auf der Internetseite der Liebigschule veröffentlichen Stellungnahme den Schülerinnen und Schülern ausdrücklich, die sie auf die Vorkommnisse aufmerksam gemacht haben. „Sie haben eine vorbildliche Haltung gezeigt, die ein starkes moralisches Bewusstsein ausdrückt“, heißt es darin. Das Leitbild der „Lio“ fuße auf Respekt, Vertrauen, Achtsamkeit, Kooperationsbereitschaft und Freundlichkeit. Kurz nach Bekanntwerden des Vorfalls hatte die Schulleitung den gesamten Jahrgang zusammengerufen und sich an das Landesportal Hessen gegen Hetze gewandt.
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