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#Nur den Krieg können sie nicht ignorieren

„Nur den Krieg können sie nicht ignorieren“

Die Einladungen sagen alles. Zur Schau von Loewe bringen die Moped-Boten rote An­thurienblüten in die Hotels der Moderedakteure. Die leuchtende Flamingoblume mit den großen Blütendolden gibt das Thema vor. Für Frühjahr und Sommer 2023 sieht man bei der ­Marke, die zum LVMH-Konzern gehört, Anthurien auf Kleidern, als BH, Schuhschmuck und metallener Brustpanzer, der mit Keramikfarbe überzogen ist. „Ein Naturprodukt, das wie ein Designobjekt aussieht und auch so behandelt wird“: Die Beschreibung des Loewe-Designers Jonathan Anderson gibt nur eine verwelkte Ahnung davon, wie eine Kollektion mit Formen und Farben der Natur erblühen kann.

Alfons Kaiser

Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

Die Prêt-à-Porter-Woche könnte man entlang der Einladungen beschreiben – dann müsste man nicht einmal zu den Schauen fahren, die teils weit entfernt vom Stadtzentrum stattfinden. Das Selbstverständnis offenbart sich in der Karte, die in einem von Kalligraphen adressierten Umschlag steckt. Chanel: groß und mächtig. Givenchy: schwarz und unterkühlt. MiuMiu: durchsichtig und schwungvoll. Hermès: minimalistisch und warm. Isabel Marant: ge­nau – die Daten stehen auf einem Maßband.

Eine Antithese zum polierten Luxus?

Das alles ist aber wieder mal nichts im Vergleich zu Balenciaga. Demna, der als Designer ohne Nachnamen auskommt, lässt als Einladung eine dreckige alte Lederbörse schicken. Darin stecken Kreditkarten, Kundenkarten, eine Quittung aus dem „Marché Vegan“ (111,75 Euro), 150 alte französische Francs und ein Ausweis: Natalia Antunes, ge­boren am 2. Oktober 1955, Französin, wohnhaft in Paris, 1,70 Meter groß. Ein Fundstück als Eintrittskarte. Und ein Hinweis auf eine biographische Mission? Wer ist Natalia Antunes? Natalia: am ehesten eine Osteuropäerin. Antunes: am ehesten eine Portugiesin.

Schon falsch gedacht. „I hate boxes and I hate labels and I hate being labeled and placed in a box“, schreibt Demna in seinen „show notes“. Der aus Georgien stammende, in Deutschland aufgewachsene, in Zürich lebende und in Paris arbeitende Designer will nicht in Schubladen gesteckt werden. Man ahnt es: Die riesige Balenciaga-Halle ist ausgekleidet mit stinkendem Schlamm. Nach der Schau wird er sagen, das sei „die Anti­these zum polierten Luxus“, eine Kritik am keimfreien System also. Dabei bedient er das System selbst, mit Logo-Kappen für 350 und Müllbeutel-Taschen für 1400 Euro: das Demna-Paradox des kapitalistischen Kapitalismuskritikers.

Blumig: Loewe





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Pariser Modewoche 2022
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Pariser Modewoche 2022

Übers dreckige Wasser laufen, angeführt von Kanye West, traurige Figuren, wütend, zerrüttet, hoffnungslos: metaphysische Obdachlosigkeit auf dem Laufsteg. Zum ersten Mal war die existenzielle Wucht der Balenciaga-Mode am 6. März zu spüren, in der Herbst-Winter-Schau mit Flüchtlings­gestalten, die verzweifelt gegen einen Wintersturm ankämpften. Keine zwei Wochen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine war das ein krasses Signal für die blasierte Klientel in der ersten Reihe. Viele Gäste weinten. Die bibbernden Models wurden backstage in Rettungs­decken gesteckt. Als gebürtiger Georgier kennt Demna russische Aggressoren.

„Für mich war das ein logisches ­Follow-up“, sagt der Designer nun backstage. „Denn was passiert, wenn der Schnee schmilzt?“ Dann bleiben für Frühjahr und Sommer 2023 nur 275 Kubikmeter Schlamm aus einem Torfmoor – inspiriert von ­Santiago ­Sierra, der 2013 schon in Hannover die Kestner-Gesellschaft mit Schlick füllte: „Seine Installationen sind ikonisch.“ Also klebt die schwarz-braune Masse an den Wänden und kleidet eine riesige dunkle Mulde in der Mitte aus, die an ein Massengrab erinnert. Ist das Balenciaga? Nur die Tasche, die wie ein Muff aussieht, sei eine Anspielung auf Cristóbal Balenciaga gewesen, sagt Demna. „Es war vor allem eine Me-Show.“ Er erlaubt sich seine eigene Meinung; als zweifellos einflussreichster lebender Designer kann er sich die auch erlauben.

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