#Endlich wieder Lampenfieber
„Endlich wieder Lampenfieber“
Dieser wiederkehrende Albtraum: Er spielt mit seiner Band, aber die Zuschauer sitzen zurückgelehnt in Polstermöbeln und mögen die Musik nicht. Man sieht es ihnen an. Diese Heidenangst davor, nicht mehr zu unterhalten. Davon träumt Samy von den Düsseldorfer Broilers.
Dezember 2021. Seit fast zwei Jahren ist Live-Musik auf die Dimension eines Flohtheaters geschrumpft. Künstler konnten nicht auftreten, also haben sie Alben aufgenommen, Videos produziert, Songs geschrieben. Kurz sah es so aus, als würde es wieder losgehen. Wieder planten alle Touren, wieder wurde abgesagt oder verschoben. Jetzt ist Winter, Zeit zum Nachdenken: Reicht das Geld bis zum Frühjahr? Kommen wieder genug Leute zu Konzerten? Kauft überhaupt noch jemand Alben in den geschrumpften Musikabteilungen? Und Zeit für eine kleine Deutschland-Tour. Zu Künstlern, die nicht aufgegeben haben, und solchen, die 2022 erst richtig loslegen wollen.
In Düsseldorf ist es zugig. Am Bahnsteig Fußballfans mit Dosenbier. Nebenan in Köln waren kürzlich 50 000 Menschen im Stadion. Für Konzerte dieser Größe müsste man gerade weit fliegen: nach Perth zum Beispiel, wo Alanis Morisette im November vor 15 000 aufgetreten ist. Die Fußballfans am Bahnhof in Düsseldorf singen, man denkt an die Toten Hosen, da ist es zu den Broilers nicht mehr weit. Die sind auch von hier und waren schon mit ihnen auf Tour.
Die Broilers gibt es seit fast 30 Jahren. Erst als Oi-Punk-Band, dann als Punkrocker. Seit 2010 haben sich die fünf Musiker auf politische Hymnen verlegt. Im Frühjahr erschien ihr Album „Puro Amor“, das warm in die Ohren strömt. Es geht um Liebe, Sehnsucht, Kameradschaft, klare Haltung gegen Wirrköpfe, ums Trinken und Durchhalten, es ist also ein gutes Pandemiealbum. Drei Jahre ist ihr letztes Konzert her. Sie freuen sich auf den Moment, bevor es auf die Bühne geht. „Wenn ich in die Gesichter der Band schaue und genau weiß, was die alle denken“, sagt Ines, die Bassistin. Sie sitzen im Café und schauen auf ihren Handys zu, wie sich ihre Weihnachtstour verflüchtigt. Erst hieß es: Clubshows ohne Maske. Dann: Sitzkonzerte. Dann 2 G. Und gerade sind die ersten Konzerte abgesagt worden. Neulich hat Mutter von Sammy, dem Sänger, zu ihm gesagt: „Gut, dass du auch noch Grafikdesigner bist.“
Sammy und Ines von den Broilers in Düsseldorf
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Bild: Thomas Pirot
Die Broilers haben „schwäbisch“ gewirtschaftet, noch reicht es. Und sie haben ihre Fans mit Livestream-Küchenpartys und Adventsvideos unterhalten. „Wir sind auch dabei, Tiktok verstehen zu wollen“, sagt Sammy. Als die Strandkorbkonzerte im Sommer in Mode kamen, war er krank. Sonst hätten sie die auch gespielt. Das höchste Gut ist die Zufriedenheit des Publikums. Sie haben dafür sogar aufgehört, ihre Songs auf der Bühne zu verändern. Das mochten die Fans nicht.
In der Pandemie sind sich Künstler und Fans nähergekommen. Die Ansprache über die sozialen Netzwerke war noch direkter, der Austausch noch intensiver. Früher war die Musik der exklusive Kanal, die eigene Meinung in die Welt zu bringen. Jetzt haben manche Künstler Angst, dass sich die Fans zu sehr an ihre Promoparty gewöhnt haben.
In den Neunzigern zogen die Broilers jedes Wochenende von einem Gig zum nächsten. Das ginge gar nicht mehr. Gitarrenmusik ist nicht gerade in, alle hören Hiphop oder elektronische Musik. Sammy und Ines fehlt die Subkultur im Jugendclub, wo die Teenager auf Gitarrenmusik kamen und auf Berufe wie Ton- und Lichttechniker, die jetzt niemand mehr lernt.
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