Nachrichten

#Ossis haben mehr Humor als Wessis

Ossis haben mehr Humor als Wessis

Die erste Hälfte meines Lebens habe ich in der DDR verbracht, die zweite im vereinten Deutschland. Das Ende der DDR und die Einheit habe ich aus vollem Herzen begrüßt. Mein Freundes- und Bekanntenkreis besteht etwa zu gleichen Teilen aus Ost- und Westdeutschen. Als Redakteur der F.A.Z. habe ich in einem westdeutschen Umfeld gearbeitet. Oft habe ich mir von Lesern der Zeitung anhören müssen, wie schlimm das doch mit den Ostdeutschen sei, wie undankbar, wie unfähig sie seien. Die Leser konnten sich nicht vorstellen, dass die Einheit auch bei uns in der Zeitung angekommen war. Ich lächelte still vor mich hin und ließ es über mich ergehen.

Frank Pergande

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Auch meine Ehefrau kommt aus dem Westen. Mag allerdings sein, dass ich sie nicht kennengelernt hätte, wenn sie nicht im Osten gearbeitet hätte. Auch wenn umgekehrt ich einige Zeit im Westen gearbeitet habe, in Marburg, bevor ich als F.A.Z.-Redakteur zurück in den Osten ging, nach Berlin. Es waren im Westen zu meiner Überraschung schreckliche Jahre. Ich habe festgestellt, wie ostdeutsch ich bin. So sehr, dass ich westlich der Elbe schon Heimweh bekomme, obwohl ich den Westen bewundere. Verrückt, oder?

Für mich ist das Ost-West-Thema immer gegenwärtig, ob ich es will oder nicht. Auch in meiner Ehe. Ein beliebig aus dem Alltag herausgegriffener Dialog: „Deine Mutter hat dir wohl nicht beigebracht, wie man Orangen schält?“ – „Da merkt man, dass du aus dem Westen bist.“ – „Wie kommst du darauf?“ – „Im Osten gab es keine Orangen. Und wenn es sie mal gab, hießen sie Apfelsinen.“

Manchmal hilft ein Witz

Wenn ich mit jemandem ins Gespräch komme, erwische ich mich immer wieder dabei zu prüfen: Ost oder West? Ich erlebe das auch von anderen Ostdeutschen, die mich direkt fragen: „Ost oder West?“ Nicht, weil es unangenehm wäre, es mit einem Westdeutschen zu tun zu haben. Ostdeutsche haben nur so viele gemeinsame Erfahrungen, ja eine gemeinsame Sprache, das erleichtert den Austausch. LPG, Konsum, Rennpappe, FDJ, Jägerschnitzel – da muss nichts erklärt werden. Für mich ist es schwieriger, mit einem gleichaltrigen Westdeutschen ohne nähere Ost-Kenntnisse zu reden, als etwa mit der mecklenburgischen SPD-Influencerin Lilly Blaudszun, die das DDR-typische Jägerschnitzel mit Makkaroni zu ihren Lieblingsgerichten zählt. Blaud­szun ist zwanzig. Was stimmt da nicht?

Zu meiner Selbstverteidigung kann ich sagen, dass ich das Wort Wessi nie als Schimpfwort benutzt habe. Ich habe auch keinen Anlass dafür, im Gegenteil. Andere haben da weniger Bedenken. Freilich können sich die Ostdeutschen selbstironisch auch als Ossis bezeichnen und das keineswegs als Selbstlob meinen. Pauschal würde ich sogar sagen: Ossis haben mehr Humor als Wessis.

Wenn sich im Gespräch nicht herausfinden lässt, ob jemand aus dem Osten oder dem Westen kommt, gibt es Tricks. Etwa einen Witz. Was ist der Unterschied zwischen vierzig Jahre Bundesrepublik und vierzig Jahre DDR? Die Antwort: vierzig Jahre. Meine Lübecker Ehefrau hat das nicht verstanden („Du immer mit deinen öden Ost-Witzen“), Ostdeutsche hingegen lachen. Und da liegt des Pudels Kern. Da kommen wir dem näher, was der Ostbeauftragte der Bundesregierung vor ein paar Tagen sagte: Viele Ostdeutsche seien auch nach drei Jahrzehnten in der Demokratie nicht angekommen. Als F.A.Z.-Redakteur hatte ich immer wieder mit Marco Wanderwitz zu tun. Er ist sächsischer CDU-Bundestagsabgeordneter, Chemnitzer Umland, Erzgebirge, aus westlicher Sicht politisch Hardcore. Ich schätze ihn und teile seine Ansicht.

Schwieriges Zusammenwachsen

Vierzig Jahre! Ost und West haben sich in den vierzig Jahren Teilung komplett verschieden entwickelt oder genauer: Der eine hat sich entwickelt, der andere nicht. Und doch mochte es der eine vom anderen nicht glauben: Wir sind doch Deutsche, wir gehören zusammen. Der alte Willy Brandt sah das Problem und wiederholte bei seinen Auftritten im Osten immer wieder den Satz: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ Er sagte nicht einfach: Jetzt kommt zusammen, was zusammengehört. Da muss erst einmal etwas wachsen, in der Tat. Aber braucht es dafür mehr als drei Jahrzehnte?

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!