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#Wahrheiten sind Ländersache

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Wahrheiten sind Ländersache

Ein Wochenrückblick, der mit der Frage beginnt, ob wir uns mittlerweile zu schnell aufregen, der verspricht einiges an Aufregerthemen. Gar nicht schlecht, denkt man, Erschöpfung und Müdigkeit haben wir schon genug. Noch mehr allerdings als Pandemiemüde und –erschöpfte haben wir inzwischen die Pandemiepropagandisten, die diese beiden Vokabeln derart traktieren, dass etwas anderes als das Ende des Lockdowns gar nicht mehr denkbar sein soll. Und da die Menschen nun wirklich schon sehr dünnhäutig geworden sind, hatte Sandra Maischberger für ihre gestrige Rückblicksrunde schnell einige Kandidaten gefunden, die es unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten lohnte: „Wutbürger“-Bayern-Trainer Hansi Flick zum Beispiel, dessen Invektiven gegen „die sogenannten Experten“ (die gefälligst still sein sollen)  in der Pressekonferenz vom Rosenmontag nur ein weiteres Indiz lieferten, warum das Schwarze-Peter-Spiel, das die föderale Republik derzeit im Coronagipfel-Rhythmus zelebriert,  zur liebsten, kompetenzbefreiten Beschäftigung im Lockdown geworden ist.

Joachim Müller-Jung

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Da muss man sich nicht wirklich aufregen. Über Armin Laschet allerdings vielleicht schon, wie jedenfalls die „SZ“-Parlamentskorrespondentin Constanze von Bouillon nachvollziehbar argumentierte. Über Laschets gestreamten Fastnachtsbeitrag für den Wirtschaftsrat der Christdemokraten in Baden-Württemberg diskutiert nach Einschätzung Maischbergers inzwischen die ganze Republik. Man möge, so hatte der neue CDU-Chef hölzern gegen die Inzidenzzahlen gewettert, nicht immer wieder „neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass das Leben wieder gewinnt“. Dass das Wahlkampf war und seine Ergänzung, man solle die Bürger nicht länger „wie unmündige Kinder behandeln“, auf alle anderen Ministerpräsidenten gemünzt war und wohl auch auf seine Kanzlerin, war wiederum so leicht durchschaubar – aufregen muss man sich darüber wirklich nicht. Wundern vielleicht. So wie über den denkwürdigen Auftritt des sächsischen Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer,  der es mit der geschickten Gesprächsführung Maischbergers schaffte, seinen eigenen Schlingerkurs in der Pandemie als dramatische Bruchlandung zu inszenieren.

„Zu spät in den Vorsichtsmodus“

Ende des Jahres sei er „sechs Wochen zu spät in den Vorsichtsmodus“ gegangen. Das selbst in Augenschein genommene Elend in den überlasteten Kliniken und Heimen habe ihm die Augen geöffnet. Kretschmer sprach von den schlaflosen Nächten der Pflegenden und von den eigenen Fehlern, aus denen er gelernt habe. Und nun tue es ihm richtig leid, dass er den Menschen auch noch diese Hoffnung für die nähere Zukunft genommen habe, aber es sei ja nun mal eine Wahrheit, was Ende März und Anfang April sicher nicht möglich sein werde: in die Osterferien fahren.

Kretschmers rhetorische Kunststücke wollten dann auch gar kein Ende nehmen. Er gab energisch den geläuterten Vorsichtigen und verteidigte zugleich die Öffnungsambitionen seines Parteichefs Laschet mit dem Hinweis: „Zwischentöne“ müssten in dieser Zeit doch wohl noch erlaubt sein. Und wieder: Er sage ja nur die Wahrheit. Für entlarvende Momente wie diesen sind unaufgeregte Gesprächsabende wie dieser geradezu gemacht. „Es gibt nun mal unterschiedliche Wahrnehmungen und Hoffnungen“ – Originalton Kretschmer.  Der sächsische Ministerpräsident jedenfalls will, sofern er in den nächsten Wochen nicht doch wieder eine Kehrtwende hinlegt, für eine großangelegte Öffnungsdebatte in nächster Zeit nicht zur Verfügung stehen. Vor der „Rückkehr zur Normalität“ warnte er: das sei der sicherste Weg in eine Explosion der Infektionszahlen. Dass er dennoch jetzt der erste Landeschef war, der die Kitas und Schulen wieder öffnete, und dass er auch noch am liebsten aus der von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfpriorisierung ausscheren möchte, indem die sächsischen Lehrer und Erzieher demnächst den Astra-Zeneca-Impfstoff erhalten sollen – wen mag das noch aufregen? Alles wie gehabt, jeder Landesfürst hängt sein eigenes Fähnchen in den Wind. So unverhohlen wurde dieses Privileg selten verteidigt.

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