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#Pieksen im Minutentakt

Pieksen im Minutentakt

So weit wie die Kollegen im VW-Werk im sächsischen Zwickau, wo gerade ein Modellprojekt fürs Impfen in Betrieben läuft, wären Annegret Schumacher und ihre Auftraggeber auch gern. „Eigentlich möchte ich jetzt keine Schnelltests mehr organisieren, ich möchte nur noch impfen“, sagt die Betriebsärztin und Leiterin der Arbeitsmedizin bei der Medical Airport Service GmbH mit Sitz in Mörfelden-Walldorf. Das Tochterunternehmen des Flughafenbetreibers Fraport ist ein Dienstleister für Arbeitsmedizin, betreut neben den Unternehmen am Airport 800 Unternehmen und Kommunen bundesweit und stellt auch den betriebsärztlichen Dienst für die rund 120.000 Bediensteten des Landes Hessen.

Fast alle haben in den vergangenen Wochen das Gespräch mit Schumacher gesucht. Nachdem es dem Staat nur schleppend gelingt, mit Impfungen die Corona-Pandemie einzudämmen, suchen die Unternehmen auf eigene Faust Wege, um schneller aus der Krise zu kommen. Die ersten Impfkonzepte für Belegschaften seien schon entwickelt worden, als es noch gar kein Medikament gegeben habe, berichtet Schumacher. Inzwischen hat aber auch die Politik die Schlagkraft der Betriebsmediziner erkannt, sie sollen Teil der Impfkampagne werden. 12.000 Betriebsärzte gebe es in Deutschland, bis zu 45 Millionen Menschen seien über die Arbeitswelt erreichbar, haben ihre Interessenvertreter errechnet.

Pieksen im Minutentakt

Die Betriebsärzte nach den niedergelassenen Kollegen in die Kampagne einzubinden sei der richtige Weg, um die Impfstoffe schnell in die Breite zu bringen, sagt Schumacher. Mit guter Planung könnte in den Unternehmen „im Minutentakt gepiekst“ werden. Sieben, höchstens acht Minuten der ärztlichen Zeit veranschlagt die Expertin je Impfling. Im Juni, so schätzt sie, werde es richtig losgehen.

Bis dahin müssen die fertigen Konzepte in der Schublade bleiben, und die Betriebsmediziner beschäftigt wieder verstärkt das Thema Testen. Nach wie vor steht im Raum, dass die Unternehmen generell dazu verpflichtet werden, ihre Beschäftigten ein-, vielleicht sogar zweimal in der Woche mit Schnelltests auf Ansteckungen mit dem Coronavirus zu überprüfen. Wie das praktisch gehen solle, werden Schumacher und ihre 65 Mediziner großes Ärzteteam nun oft gefragt. Um den Aufwand im Rahmen zu halten, würde Schumacher Selbsttests bevorzugen. Aber wie sicher könne man sein, dass die Menschen den Test vor der Fahrt zur Schicht oder ins Büro wirklich machen? So oder so sei eine Ausweitung der Teststrategie ein enormer Kostenfaktor, den nach bisherigem Stand die Arbeitgeber stemmen müssen. Auch deshalb wehrt sich die Wirtschaft vehement gegen die generelle Pflicht. Die Gewerkschaften sind eher dafür. Die Ärztin Schumacher wünscht sich Differenzierung. „Häufige Tests sind überall da sinnvoll, wo Menschen zusammenkommen müssen.“ Wo dies vermieden werden könne, seien engmaschige Testreihen hingegen nicht nötig.

Im Idealfall wären sie ohnedies nur eine Art Übergangstechnologie, bis die Impfung dem Corona-Spuk ein Ende setzt. Wenn der Betriebsarzt mit Assistenten arbeiten könne, sei auch eine Belegschaft mit mehreren hundert Menschen schnell durchgeimpft, sagt Schumacher. Die Helfer müssten sich um die Vorbereitung der Impfdosen, Aufklärungsbögen und sonstigen Papierkram kümmern – und die Spritzen setzen. „Aufgabe des Arztes wäre vor allem, die Impffähigkeit jedes Einzelnen zu prüfen.“ So wäre auch gewährleistet, dass der Arzt bei medizinischen Notfällen im Betrieb zur Stelle sei, ohne dass die Impfung komplett ins Stocken gerät. „Natürlich haben die Ärzte in den Betrieben noch viele andere Aufgaben, die teilweise liegenbleiben müssten. Aber für die Kunden hat das Impfen absolute Priorität.“

Den Mitarbeitern die Wahl lassen

In größeren Unternehmen haben Betriebsärzte ohnehin ein Team an ihrer Seite. Die anderen würden laut Schumacher derzeit kreativ: „Sie bieten uns eigenes Personal zur Unterstützung an, Angestellte mit einer Ersthelfer-Ausbildung oder Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst, die eine Zusatzqualifikation haben.“

Wobei bei aller Euphorie und Hoffnung die meisten Unternehmen ihren Mitarbeitern die Wahl lassen wollen. So berichteten Fraport, die Deutsche Börse, die Deutsche Post/DHL Group sowie die Pharmakonzerne Merck und Sanofi, dass sie Impfangebote prüfen, diese aber unbedingt freiwillig sein sollten.

Der Flaschenhals, der das Tempo in den Betrieben bremsen könnte, ist laut Schumacher momentan noch das sogenannte Impfquoten-Monitoring. Jede Dose, die ausgegeben wird, muss an das Robert-Koch-Institut gemeldet werden, und zwar im Prinzip genau dann, wenn sie gespritzt wird. Schumacher glaubt, der Prozess liefe zügiger, wenn die Registrierung verzögert en bloc erfolgen könnte. „Allerdings ist zu bedenken, dass ohne diese Registrierung auch keine offizielle Bescheinigung ausgestellt werden kann.“ Um dieses Problem zu lösen, sitzt Schumacher derzeit in Beratungen mit Ministerien und Behörden.

Dass man ihr dort aufmerksam zuhört, hält die Arbeitsmedizinerin für einen Gewinn aus der Pandemie, die ihr und ihren Kollegen sonst nur viel Arbeit beschert hat. „Die Tätigkeit des Betriebsarztes ist aufgewertet worden.“

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