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Präsidentenwahl in Südkorea: Linksliberaler Lee Jae-myung siegt

Am Ende war der Vorsprung des linksliberalen Lee Jae-myung so groß, dass der konservative Gegenkandidat Kim Moon-soo schon weit vor der Verkündigung des amtlichen Endergebnisses seine Wahlniederlage eingestand und der Demokratischen Partei gratulierte. Lee war die Wahl als eine Abstimmung über das Kriegsrecht angegangen, das der nunmehr abgesetzte konservative Präsident Yoon Suk-yeol kurzzeitig verhängt hatte, und Lee sollte damit Erfolg haben. Die Wahlbeteiligung der vorgezogenen Neuwahl in Südkorea lag mit 77,8 Prozent so hoch wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr. Und ein so deutliches Ergebnis hat es ebenfalls lange nicht gegeben.

Seine erste Pflicht sei es, „die Demokratie in dem Land wieder herzustellen“, sagte Lee in einer kurzen Ansprache vor seinem Haus weit nach Mitternacht in Seoul. Er werde sicherstellen, dass es niemals wieder einen „Militärputsch“ gebe. Die zweite Pflicht sei die Wiederherstellung der südkoreanischen Wirtschaft. Zudem bekräftigte er seinen Willen zum Dialog mit Nordkorea. „Frieden schaffen ist ein besserer Weg zur Herstellung der Sicherheit“, sagte Lee mit Blick auf die Strategie seines Vorgängers, Stärke durch Abschreckung herzustellen.

Nach dem offiziellen Endergebnis am Mittwoch wird der Wahlsieger unmittelbar ins Präsidentenamt eingeführt, das er regulär für fünf Jahre übernimmt. Damit geht ein halbes Jahr der politischen Führungslosigkeit in Südkorea zu Ende, nachdem Yoon im Dezember für sechs Stunden lang das Kriegsrecht verhängt hatte und dafür anschließend seines Amtes enthoben wurde. Schon bei der vorherigen Wahl 2022 hatte Lee nur knapp gegen Yoon verloren. Lee eilte damals der Ruf eines linken Populisten voraus. In diesem Wahlkampf wählte der 61 Jahre alte Lee mit Blick auf die Mitte der Gesellschaft gemäßigtere Töne und bezeichnete sich als einen „Zentrumskonservativen“. Nicht zuletzt gründet sein klarer Wahlsieg nun aus dem politischen, rechtlichen und moralischen Zusammenbruch Yoons.

Das Land steht vor großen Herausforderungen

Der amtierende Vorsitzende der Demokratischen Partei Park Chan-dae sagte mit Blick auf den kurzzeitigen Kriegszustand, die Ergebnisse seien „ein donnerndes Urteil des souveränen Volkes gegen ein Regime der Rebellion“. Der stellvertretende Wahlkampfleiter der Konservativen Na Kyung-won hingegen sprach von einem „erheblichen Schock“. Er begründete die klare Niederlage mit Unordnung in der eigenen Partei, die sich lange nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen konnte, der sich zudem dann auch kaum vom angeklagten Yoon distanzierte.

Zur Durchsetzung seiner Politik verfügt der wahrscheinliche Wahlsieger Lee Jae-myung jetzt über ein sehr starkes Mandat. Nicht nur der klare Wahlsieg, sondern vor allem die deutliche Mehrheit seiner Demokratischen Partei in der Nationalversammlung verspricht, dass er weitgehend durchregieren kann. Aus dem konservativen Lager wird befürchtet, dass Lee diese Mehrheiten nutzt, um Einfluss auf die Justiz zu nehmen. So laufen auch gegen Lee mehrere Strafverfahren, die sich auf Falschaussagen und auf mögliche Korruption beziehen. Wie es damit nun weitergeht, ist ungewiss.

Vom Populisten zum „Zentrumskonservativen“: Lee Jae-myung bei einem Auftritt im Wahlkampf
Vom Populisten zum „Zentrumskonservativen“: Lee Jae-myung bei einem Auftritt im Wahlkampfdpa

International herrscht zudem gewisse Unklarheit, wie Lee sein Land außenpolitisch aufstellt. Mit Blick auf die Balance zwischen dem Sicherheitsgaranten USA und dem größten Handelspartner China hat Lee eine ausgewogenere und „pragmatische“ Politik versprochen. Gleichwohl pries er die Allianz mit den USA, die er im Zweifel bevorzuge. Zudem versprach Lee eine Fortsetzung des trilateralen Bündnis mit Amerika und Japan, der einstigen Kolonialmacht in Südkorea. Teile der Demokratischen Partei sehen Japan weiterhin höchst kritisch.

Auch zu Nordkorea will Lee die Beziehungen verbessern, ohne dass hier bislang ein fundamentaler Richtungswechsel erwartet wird. Und nicht zuletzt werben manche Vertreter der Demokratischen Partei auch für eine pragmatischere Politik gegenüber Moskau: Russland beliefert Südkorea unter anderem mit Kernbrennstäben und hat durch sein militärisches Bündnis mit Nordkorea großen Einfluss auf die Sicherheit der koreanischen Halbinsel.

In jedem Fall steht Lee vor erheblichen Herausforderungen. Es stehen schwierige Gespräche mit der amerikanischen Regierung an, die Südkorea mit Zusatzzöllen belegt und immer wieder eine Reduzierung der 28.500 in Korea stationierten US-Truppen andeutet. Südkoreas regionalpolitische Lage hat sich durch das mächtiger werdende China sowie das durch Russland militärisch erstarkende Nordkorea verschlechtert.

Innenpolitisch wächst die eigene Wirtschaft zudem nur noch langsam, während die alten Probleme der niedrigen Geburtenraten, ungleicher Einkommensverhältnisse und hohen Lebenshaltungskosten weiter grassieren.  Wie Lee das im Detail angehen möchte, hat er bislang offen gelassen. An der marktwirtschaftliche Orientierung seines Landes aber will er festhalten.

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