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#Das müsst ihr wissen!

Das müsst ihr wissen!

Lieder können beruhigen, egal wie ihr Text lautet. Als Karola Ruth Siegel im Januar 1939 mit einem Zug in die Schweiz fährt, zehn Jahre alt, singt sie gemeinsam mit den anderen Kinder die vertrauten Worte. „Hänschen Klein ging allein“ zum Beispiel, wo es über die weinende Mutter heißt: „‚Wünsch dir Glück‘, sagt ihr Blick, ‚kehre bald zurück‘.“

Der kleine Hans, sagt Ruth Westheimer, ist tatsächlich zu seiner Mutter zurückgekehrt: „Das ist nicht der Fall gewesen bei mir.“ Sie trägt ein schwarzes Headset, eine rotgerahmte Brille, roten Lippenstift, eine rote Bluse. Karola Ruth Siegel wurde am 4. Juni 1928 im fränkischen Wiesenfeld geboren. Am 9. November 2021 sitzt die Frau, die jetzt Ruth Westheimer heißt, in einem Apartment in New York. Ihre Kamera ist an, um darüber zu sprechen, was zwischen diesen beiden Tagen liegt: das bewegte Leben einer Frau von 93 Jahren.

Sylvia Asmus, die Leiterin des Exilarchivs der Deutschen Nationalbibliothek, hat Ruth Westheimer zu dieser virtuellen Begegnung eingeladen. Ihre Ausstellung „Kinderemigration aus Frankfurt am Main“ widmet sich exemplarisch sechs Kindern, darunter Karola Ruth Siegel, die nach den Novemberpogromen 1938 mit sogenannten Kindertransporten vor den Nationalsozialisten gerettet wurden. Aus Frankfurt wurden in dieser Zeit etwa 600 Kinder in Sicherheit gebracht. „Ich freu mich wie ein König“, sagte Ruth Westheimer, gefragt, was es für sie bedeutet, Teil der Ausstellung zu sein. Aversionen gegen Frankfurt hegt sie nicht, den Ort, der für sie Heimat war und zur Falle hätte werden können, wie für mehr als elftausend jüdische Bürger der Stadt. Sie komme immer gerne zur Buchmesse, sagt Westheimer. Nur zum Hauptbahnhof, wo sie sich einst von Mutter und Großmutter verabschiedete, gehe sie lieber nicht.

„Ich habe dort sechs Jahre gewartet“

Zuschauer könnten bei dem virtuellen Gespräch per Chat Fragen stellen, aber Westheimer gibt ihre Antworten auch so. Sie sagt: „Jetzt will ich euch was sagen“ oder „Jetzt will ich was erzählen!“ Und dann erzählt sie. In Wiesenfeld, ihrem Geburtsort, wo sie als Kind häufig die Ferien verbrachte, sei sie einmal früh aufgestanden und habe die Gänse vom Dorf aus dem Stall „befreit“. „Weil ich schon damals geglaubt habe – hört zu! –, dass Menschen und Tiere frei sein müssen. Oh, haben alle mich da geschimpft.“

Sie sagt immer wieder: „Das müsst ihr wissen!“ Und hat recht. Wie sie ihren Vater vor ihrer Abreise nicht mehr wiedersah, er war nach den Pogromen 1938 verhaftet worden. Wie sie in der Schweiz in einem Kinderheim lebte, das „Wartheim“ hieß: „Ich habe dort sechs Jahre gewartet.“ Wie sie Briefe an ihre Mutter schrieb und irgendwann keine Antwort mehr kam. Wie sie erfuhr, dass ihre Familie deportiert wurde. Wie sie nach dem Krieg nach Palästina auswanderte und dort als Mitglied der zionistischen Untergrundorganisation Hagana zur Scharfschützin ausgebildet wurde. Wie sie später in Paris lebte, dann in den USA. Wie sie Soziologie studierte, promovierte, sich zur Sexualtherapeutin weiterbildete und in den Vereinigten Staaten mit einer eigenen Radiosendung als „Dr. Ruth“ berühmt wurde.

Ihr Ruhm soll an diesem Abend nicht das Thema sein. „Niemand von uns hat es nicht geschafft im Leben“, sagt Westheimer über die Kindergruppe aus dem Schweizer Heim. „Der Grund davon ist, dass ihre, dass meine ersten Jahre im Leben gut waren. Auch das“, sagt Ruth Westheimer, „ist wichtig für alle hier zu wissen.“

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