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#Das Gespenst der Geometrie – Mathlog

Das Gespenst der Geometrie – Mathlog

Die Geometrie gab es schon vor der Erschaffung der Welt.

Johannnes Kepler

Räumliche Distanzierung

Drei Semester lang sollte man einen Mindestabstand von d=1,5 Metern einhalten. Wie sollten sich Studenten unter dieser Vorgabe optimal aufstellen? Diese naheliegende Frage griff Andrés Navas im Juni 2020 auf Images des Mathématiques auf.

Wenig überraschend ist für eine Gruppe von 4 Personen das Quadrat optimal. Das aus zwei gleichseitigen Dreiecken gebildete Parallelogramm hätte zwei Ecken mit größerem Abstand als die gegenüberliegenden Ecken im Quadrat: der Maximalabstand zwischen zwei Personen ist im Quadrat sqrt{2}d, im 60-Grad-Parallelogramm sqrt{3}d. Tatsächlich kann man beweisen: wenn sich vier Personen mit paarweisem Mindestabstand d aufstellen, dann gibt es mindestens ein Paar mit Abstand mindestens sqrt{2}d.

Im dreidimensionalen Raum kann man vier Personen sogar so anordnen, dass alle jeweils den Abstand d voneinander haben: man setzt sie auf die Ecken eines regelmäßigen Tetraeders. Das ist freilich unpraktikabel; obwohl wir von räumlicher Distanzierung sprechen, meinen wir doch die Aufstellung in einer Ebene.

Wie sieht es aus, wenn man mehr als 4 Personen anordnen will? Dann ist die optimale Anordnung in der Ebene nicht die Aufstellung auf den Ecken eines Quadratgitters. Stattdessen ist es effektiver, die Menschen auf den Ecken eines aus regelmäigen Dreiecken bestehenden Gitters aufzustellen, wie Navas in einem weiteren Artikel im August 2020 diskutierte.
Äquivalent kann man die Menschen auch auf die Mittelpunkte eines Sechseckgitters stellen, man erhält so dieselbe Anordnung.

In Chile, wo ja im Juni Winter ist, wütete Corona (wie in ganz Südamerika und Südafrika) im Sommer 2020 besonders stark. Navas, der in Santiago de Chile arbeitet, erwähnte in seinem Artikel, dass man in diesen Tagen an manchen Orten auf den Boden gemalte Sechsecke zur räumlichen Distanzierung sah, wie auf diesem Foto aus seiner Heimatstadt:

Wenn Menschen sich in die Mittelpunkte dieser Sechsecke stellen, erreichen sie die geforderte räumliche Distanzierung bei minimalem Flächenverbrauch. Auch manche Pariser U-Bahnhöfe (z.B. der Gare du Nord) zeichneten auf einem Dreiecksgitter liegende Kreise auf den Boden, andere (z.B. der Gare de Saint-Denis) ordneten die Kreise auf einem Quadratgitter an. Noch eine weitere Anordnung zeigt das Bild unten:

Minkowski-Summen

Abstandsregeln gab es auch schon vor Corona. In Bayern fanden im März 2020 Kommunalwahlen statt. Für den Wahlkampf hatte sich die AfD in Augsburg am 29. Februar den strategisch günstigsten Platz am Königsplatz gesichert: wegen des Bundesligaspiels kommen dort am Samstagnachmittag Tausende Fußballfans vorbei, um mit der Tram zur WWK-Arena zu fahren. (Im Nachhinein war das für lange Zeit das letzte Wochenende, an dem man solche Veranstaltungen durchführen konnte, aber das war damals natürlich noch nicht abzusehen.)

Anscheinend gibt es eine Regel, dass Gegendemonstranten einen Mindestabstand zum Wahlkampfstand einhalten müssen. Deshalb wurde der Stand mit einer Kreidezeichnung eingekreist, samt der mit Kreide geschriebenen Aufforderung, die Einkreisung zu umgehen.


Das wirft natürlich eine geometrische Frage auf: was ist die minimale Umgebung, die zu einem gegebenen Rechteck überall den vorgegebenen Abstand einhält? Man denkt spontan an eine Ellipse und die Fotos legen das vielleicht auch nahe. In Wirklichkeit ist es aber einfacher.

Zu einer gegebenen Menge R (dem Rechteck) und einer positiven Zahl d (dem Mindestabstand) ist die gesuchte Menge left{x colon min(d(x,r):rin R)le dright} (per Definition) die “Minkowski-Summe” aus R und dem Kreis vom Radius d. Diese Menge wird auch als „offset polygon“ (deutsch vermutlich „Versatz-Polygon“) bezeichnet. Dieses ist stets ein größeres Polygon mit abgerundeten Ecken, im Falle des Rechtecks also einfach ein größeres Rechteck, bei dem man die Ecken abgerundet hat. Das nächste Bild aus einer Arbeit von Ron Wein zeigt die Offset-Polygone einiger komplizierterer Mengen.

Verschiedene Dimensionen

Räumliche Distanzierung ist ja in Wirklichkeit Distanzierung in der Ebene. Die Optimalität des hexagonalen Gitters für Kreispackungen der Ebene bewies 1940 László Fejes Tóth, die optimale Dichte ist frac{pi}{sqrt{12}}.

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