#Plastikgrau und trist auf dem Weg nach Berlin
Inhaltsverzeichnis
„Plastikgrau und trist auf dem Weg nach Berlin“
Vor fast neun Jahren hat der niederländische Choreograph Hans van Manen erklärt, er werde keine neuen Ballette mehr choreographieren. In einem jetzt im Programmheft der Oper Zürich abgedruckten Gespräch sagt er, es habe ihm schlicht gereicht; von dem Druck, im Jahr drei Ballette abzuliefern, fühle er sich „herrlich“ befreit. Er habe nicht gewollt, dass die Ballettwelt irgendwann sage: „Oh, er ist schon neunzig und macht noch immer Ballette.“ Das Gegenteil ist der Fall.
Er wird dieses Jahr 91 Jahre alt, und alle bedauern, dass er nicht mehr choreographiert. Um die Bewahrung und Einstudierung der 150 Ballette, die er seit den späten Fünfzigerjahren geschaffen hat, kümmert sich van Manen jedoch sehr gut. So hat er jetzt auch nach Zürich, wo der neue dreigeteilte Ballettabend „On the Move“ nach dem den Auftakt bildenden gleichnamigen Stück von Hans van Manen betitelt ist, den Assistenten Ken Ossola zur Einstudierung vorausgeschickt und selbst die letzten Proben vor der Premiere am vergangenen Samstag beobachtet.
Anfang und Ende misst Hans van Manen auch in seinen Balletten besondere Bedeutung zu. In „On the Move“ für sieben Paare, das er 1992 auf Sergej Prokofjews Violinkonzert Nr. 1 in D-Dur geschaffen hat, tritt die Frau gemessenen Schrittes von links aus der Gasse auf die Mitte der leeren Bühne, der Mann von rechts. Wir brauchen dieses Schreiten, um zu begreifen, dass das Erscheinen eines zweiten Körpers alles ändert, dass sie im Moment, da sie einander wahrnehmen, wie Planeten umeinander kreisen, voneinander angezogen nähertreten, als könnten sie nicht anders.
Voller Leidenschaft, aber niemals romantisch
Noch wenn sie sich loslassen, halten sie sich mit den Blicken fest. Noch wenn sie einander den Rücken zuwenden und Distanz zwischen sich bringen, scheint es sie Überwindung zu kosten. Und noch am Schluss, wenn der Mann einen Moment zögernd innehält und sich nach der Gruppe aus anderen Paaren umschaut, ist diese Anziehung schließlich stärker alles andere und macht, dass er ihr nachfolgt und uns mit den anderen zurücklässt im Ungewissen darüber, wie die Geschichte weitergeht, mit einem Bedauern darüber, dass diese Augenblicke zu Schönheit konzentrierter Erfahrung vorübergezogen sind.
Die Meisterschaft van Manens zeigt sich nicht allein darin, wie klassisch strukturiert seine Werke gebaut sind. Und doch: Sie sind zwar voller Leidenschaft, aber das macht sie niemals romantisch oder sentimental. Zwar sind sie an manchen Stellen witzig, albern, frech, übermütig oder sexy, aber nie überschwänglich oder pathetisch. Ihr Witz ist trocken, Screwball-Comedy-haft auch.
In unausgesprochener geteilter Absicht
Im Moment der Kunsterfahrung von van Manens Choreographien entsteht ein Gefühl von Erkenntnis, von Klarheit. Es sind Kunstwerke, die Ordnung schaffen, wo Chaos war, die das Erlangen von Souveränität feiern. Immer wieder scheint er sich zu fragen, welche menschlichen Erfahrungen die grundlegenden sind und was sie mit uns machen: wenn wir glückliche, gelingende Liebe erfahren, wenn wir gehen oder verlassen werden, wenn wir abseits der anderen stehen. Einsamkeit und ihre Auflösung in der Liebe zeigt er zutiefst ernst, ganz einfach – so wie das Klassische oft ganz einfach gestaltet ist. Wie das Paar, das sich in seinen gleichfarbigen Einteilern aus bordeauxrotem Samt auf der schwarzen, von violetten Vorhängen umschlossenen Bühne anfangs begegnet.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.