#Rettet den Maiskolbenschäler!
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„Rettet den Maiskolbenschäler!“
Ethnologische Museen sind derzeit nicht um ihre Aufgabe zu beneiden. Einmal sollen sie durch umfängliche Provenienzforschung den Verdacht ausräumen, ihre Ausstellungen seien nichts als Diebesgut, zweitens sollen sie sich so aufstellen, dass die Bevölkerung in ihrer ganzen bunten Vielfalt angesprochen wird, drittens sollen sie ihre Exponate so präsentieren, dass niemand sich übergangen oder bevormundet fühlt, und als wäre das noch nicht genug, sollen sie die Besucher zur Weltoffenheit erziehen und in Debatten verwickeln.
Praktisch läuft das oft darauf hinaus, dass aus Herkunftsländern schnell herbeigeholte Menschen mit kritisch-besorgtem Blick durch die Ausstellungsräume spazieren, hier und da ein paar Mahnungen aussprechen, das Ganze am Ende aber doch absegnen. Groß ist die Rührung, wenn einer von ihnen vor einem Objekt, das ihn an Heimat und Ahnen erinnert, in Tränen ausbricht. Man hält das für einen besonders legitimitätsstiftenden Akt.
Hans Peter Hahn bringt das auf die Palme. Legitimation durch vorgezeigte Emotionen der anderen: Für den Frankfurter Ethnologie-Professor ist das genau der falsche Weg. Die heute so nachdrücklich geforderte Rechtfertigung der Museen soll nach seiner Vorstellung vielmehr aus der gemeinsamen Verantwortung für Ausstellungen hervorgehen oder Kollaboration; so wie gerade im Humboldt-Forum, das seine Benin-Bronzen nach Nigeria zurückgegeben hat, doch einen Teil weiter in Berlin ausstellen wird. Eigentümer ist Nigeria, die konservatorische Verantwortung liegt bei der Bundesrepublik.
Das Museum als politischer Ort
Das Humboldt-Forum gehört in diesem Punkt zu den Pionieren. Bis Ausstellungen reihenweise in Gemeinschaftsarbeit entstehen, wird nach Hahns Einschätzung wohl noch mindestens ein Jahrzehnt vergehen. Die ethnologischen Museen, die über die koloniale Diskussion unvermittelt ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit geraten sind, haben heute weder das Geld noch das Personal, um den politischen Auftrag unmittelbar zu erfüllen. In ihren Depots lagen Hunderttausende Gegenstände, deren Herkunft untersucht werden soll. Parallel sollen die Objekte digitalisiert werden, auch das eine Mammutaufgabe, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte in Anspruch nimmt. Und dann sollen auch noch die Ausstellungskonzepte überarbeitet und Kooperationen mit Übersee in Gang gebracht werden.
Diverse Austellungsstücke aus Kamerun und dem Kongo im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin
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Bild: Andreas Pein
Dass daraus peinliche Übersprungshandlungen resultieren wie am Leipziger Grassi Museum, das meinte, sich von der Büste seines früheren Direktors, des Ethnologie-Pioniers Karl Weule, öffentlich mit dem Presslufthammer verabschieden zu müssen, ist beinahe absehbar. Dazu kommt der moralische Druck von postkolonialen Aktivisten, die Menschen entlang einer Hautfarbenskala wieder in Gut und Böse kartieren und die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen damit nicht erleichtern. Die grundsätzliche Einsicht in den politischen Charakter von Museen, von der Hans Peter Hahn spricht, ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Unterordnung der Schaustücke unter politisch-moralische Moden. Hahn meint damit die Entscheidung, was von einem Land, einer Kultur gezeigt wird und was nicht. Das deutsch-französische Doktorandenkolleg „Den Anderen repräsentieren: Museen, Universitäten, Ethnologie“, das er vom Januar an gemeinsam mit Kollegen von der Nouvelle Sorbonne leiten wird, will genau das untersuchen, und darüber hinaus die Fragen beantworten, was ein Museum heute überhaupt ist.
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