Wissenschaft

#Der inneren Stimme auf der Spur

Was jemand gleich sagen wird, lässt sich zumindest ansatzweise anhand von neuronalen Signaturen im Gehirn ablesen, berichten Forscher: Mithilfe eines speziellen Verfahrens der Bildgebung konnten sie zwei Sprachlaute erkennen – mehrere Sekunden bevor sie Probanden formulierten. Die Ergebnisse beleuchten damit, wie Inhalt und motorische Produktion von Sprache im Gehirn verarbeitet werden. Dies könnte etwa der Erforschung von Sprachstörungen zugutekommen. Wie die Forscher betonen, eignet sich das Verfahren aber nicht zum Ausspionieren von Gedanken.

Wir geben spezielle Lautfolgen von uns, durch die wir unseren Mitmenschen Informationen vermitteln: Die komplexe Kommunikationsfähigkeit durch Sprache ist ein Schlüsselelement des menschlichen Erfolgs. Interessanterweise hat das System bekanntlich auch eine „stumme“ Komponente: Wir denken auch in einer Sprachform – in uns „plappert“ eine innere Stimme, ohne dass wir unseren Mund bewegen. Offenbar ist das sprachliche Denken demnach vom motorischen Vorgang des Sprechens unabhängig. Wie unser Gehirn Sprachinhalt und -produktion verarbeitet, ist bisher allerdings nur wenig erforscht. Ein Problem ist dabei, dass sich die neuronalen Grundlagen der menschlichen Sprachfähigkeit nicht durch Tierversuche untersuchen lassen.

Hirnaktivität im Spiegel von neuronalen Magnetfeldern

Um auf nichtinvasive Weise neue Einblicke in das System zu gewinnen, haben die Forscher um Seniorautor Markus Siegel von der Universität Tübingen nun ein spezielles Bildgebungsverfahren eingesetzt: Die Magnetenzephalographie ermöglicht es, die Gehirnaktivität eines Menschen von außen zu erfassen, indem es die durch elektrische Nervenimpulse verursachten Magnetfelder identifizieren und lokalisieren kann. Das Verfahren ist vergleichsweise leistungsstark, aber aufwendig und steht nur in wenigen Einrichtungen zur Verfügung. Doch in Tübingen gibt es ein Magnetenzephalographie-Zentrum, das die Forscher für ihre Studie nutzen konnten.

So blickten sie mit den hoch-sensitiven Magnetfeldsensoren ins Gehirn von Probanden, während diese den Anweisungen des Experiments folgten: „Wir haben die neuronale Aktivität aufgezeichnet, während sie eine einfache Vokalisierungsaufgabe ausführten“, erklärt Siegel. Die Studienteilnehmer mussten sich einen von zwei Vokalen vorstellen und diesen teilweise auch laut äußern. Wie sie sich verhalten sollten, wurde ihnen während der Versuche auf einem Bildschirm angezeigt. Die dabei gewonnenen Informationen über die Hirnaktivität unterzogen die Forscher anschließend einer sogenannten statistischen Musteranalyse.

Vokale „formulieren“ sich auch schon stumm

Wie sie berichten, zeichneten sich tatsächlich charakteristische Signaturen ab: „Es gelang uns, in den Gehirnsignalen den Vokal zu identifizieren, den die Probanden vokalisieren sollten – und zwar bereits ein paar Sekunden vor der Ausführung“, sagt die Erst-Autorin Vera Voigtländer von der Universität Tübingen. „Dies war unabhängig davon, ob sie ihn später laut äußerten oder ihn sich lediglich vorstellten.“ Wie die Forscher erklären, spiegelt sich darin wider, wie der Sprachinhalt abstrakt im Gehirn repräsentiert wird. Dies belegt ihnen zufolge, dass es ein generelles Muster gibt, das sowohl der inneren Stimme als auch lauten verbalen Äußerung zugrunde liegt.

Die Studienergebnisse liefern somit grundlegende Hinweise auf die sprachliche Verarbeitung im menschlichen Gehirn. Da diese Fähigkeit bei verschiedenen Erkrankungen gestört sein kann, hat diese Art von Forschung auch klinisches Potenzial, sagen die Wissenschaftler. „Die Ergebnisse der Studie könnten auf lange Sicht beispielsweise auch dazu beitragen, Sprachunterstützungs-Systeme zu entwickeln oder effizienter zu machen“, sagt Co-Autor Steffen Hage vom Universitätsklinikum Tübingen.

Das Team will nun am Ball bleiben: „Langfristig wollen wir verschiedene Bausteine von Sprache untersuchen. Aktuell haben wir nur einzelne Vokale analysiert“, so Siegel. „Im nächsten Schritt wollen wir uns anschauen, wie das Gehirn komplexere Lautäußerungen verarbeitet.“ Dies könnte allerdings Befürchtungen wecken, dass das Konzept eines Tages zum Ausspionieren von Gedanken missbraucht werden könnte. Doch dazu äußern sich die Forscher entwarnend: „Die Messungen sind sehr aufwendig. Das MEG benötigt viel Platz, die Signale sind sehr schwach und in den untersuchten Lauten werden sich auch keine komplexen Gedanken widerspiegeln“, so Siegel.

Quelle: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH), Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2219310120

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