#Das Pockenopfer Goethe und die Impfpflicht
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„Das Pockenopfer Goethe und die Impfpflicht“
„Dennoch aber, sagte Goethe, bin ich dafür, dass man von dem strengen Gebot der Impfung auch ferner nicht abgehe, indem solche kleine Ausnahmen gegen die unübersehbaren Wohltaten des Gesetzes gar nicht in Betracht kommen.“ Adressat dieser von Eckermann unter dem 19. Februar 1831 berichteten Äußerung war Goethes letzter Hausarzt, der weimarische Hofrat Carl Vogel. Kurz vorher war es in Eisenach bei der Schutzimpfung gegen die Blattern mittels Kuhpocken zu Impfdurchbrüchen gekommen. Rund zwanzig Jahre vorher schilderte Goethe im Ersten Buch von „Dichtung und Wahrheit“ seine eigene Pockenerkrankung, die ihn mit dem jüngeren Bruder Hermann Jacob – einem von fünf Geschwistern, von denen nur die Schwester Cornelia das Kindesalter überlebte – im Frühjahr 1758 „überfiel“. Die allerdings hochgefährliche Schutzimpfung mit Menschenpocken „ward bei uns noch immer für sehr problematisch angesehen“, und so traf die Krankheit Johann Wolfgang „mit ganz besonderer Heftigkeit“. Auch wenn Goethe betonte, am Ende glimpflich davongekommen zu sein, blieben Spuren der Erkrankung als Pockennarben in seinem Gesicht auf Dauer zurück.
Über sein langes Leben hinaus zeugt davon die Lebendmaske, die der Weimarer Hofbildhauer Carl Gottlob Weißer von ihm abnahm. Dem Wiener Phrenologen Franz Joseph Gall „zu Liebe“ ließ Goethe – wohl in dessen Beisein – die Prozedur laut Friedrich Wilhelm Riemers Tagebuch am 13. Oktober 1807 mit verdeckten Augen über sich ergehen. Später gestand Goethe seinem Gehilfen Friedrich Theodor Kräuter, als dieser einmal auf den ernsten Gesichtsausdruck der Maske hinwies: „Meinen Sie denn, dass es ein Spaß ist, sich das nasse Zeug ins Gesicht streichen zu lassen, ohne eine Miene zu verziehen? Da ist’s eine Kunst, nicht noch viel unwirscher auszusehen!“ So erinnerte sich Kräuter in einem Gespräch mit Adolf Stahr im Juli 1851.
Krankheitsspuren authentischer Bildnisse
Galt die Büste, nun mit geöffneten Augen, die Weißer 1807/08 aus der Lebendmaske entwickelte, nicht ohne Zutun Goethes, der die Vorarbeiten in Weißers Atelier sorgfältig verfolgte, als besonders lebensecht, so gab die Lebendmaske – die einzige, die je von Goethe angefertigt wurde – dessen Hautoberfläche minutiös wieder, einschließlich von Pockennarben an Kinn, linker Wange und Schläfen, auch wenn diese bei den heute noch vorhandenen Kopien unterschiedlich klar hervortreten. Eine besonders frühe Kopie – noch von 1807? – verwahrt das Düsseldorfer Goethe-Museum mit dem Eintrag im Katalog der Sammlung Kippenberg von 1913 (und 1928): „Alter Abguss aus Riemers Besitz“.
In den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts erregten die Krankheitsspuren dieser authentischen Goethe-Bildnisse besondere Aufmerksamkeit bei einem Besucher des Frankfurter Goethe-Museums, der dort in der frühen Amtszeit seines ersten Direktors Otto Heuer ein Exemplar von Goethes Gesichtsmaske zu sehen bekam. Der Breslauer Augenarzt Hermann Ludwig Cohn (1838 bis 1906) ließ sich auch durch den Goethe-Kult seiner Zeit nicht von einem nüchtern-medizinischen Blick auf den „Olympier“ abhalten. In seinem Fach eine Kapazität, war Cohn, der Vater des Schriftstellers Emil Ludwig, als Heidelberger Schüler Robert Wilhelm Bunsens 1860 zunächst in Breslau im Fach Chemie zum Dr. phil promoviert worden, habilitierte sich 1868 nach dem Studium der Medizin in Heidelberg, Breslau und Berlin und der Promotion zum Dr. med. für Augenheilkunde in Breslau und führte dort über Jahrzehnte eine eigene „Privat-Augen-Heilanstalt“, zu deren Patienten Cosima Wagner und Heinrich Schliemann zählten.
Seit 1874 außerordentlicher Professor (ohne Besoldung) und seit 1888 Mitglied der Leopoldina, gelang ihm der Aufstieg zum Ordinarius nicht: In der Breslauer Medizinischen Fakultät war 1896/97 unter den fünfzehn Extraordinarien jeder Dritte jüdischer Herkunft, zu den zwölf Ordinarien zählten nur zwei jüdische Gelehrte, die allerdings konvertiert waren. Noch zu Lebzeiten fand Cohn Aufnahme in das „Biographische Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts“ (Berlin/Wien 1901), eine Generation später gar in das „Biographische Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker“ (Berlin/Wien 1930). Von 1902 bis 1906 ist Cohn als Breslauer Mitglied der Goethe-Gesellschaft in deren Jahrbüchern verzeichnet.
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