#Samen clever in den Boden geschraubt
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„Samen clever in den Boden geschraubt
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Video: Carnegie Mellon University
Eichenholz-Späne sorgen für Drehmoment: Forscher haben eine raffinierte Bohr-Ausrüstung für Samen entwickelt, die das Saatgut buchstäblich ins Erdreich schraubt. Sie haben dabei das Naturpatent einer Pflanze technisch umgesetzt und optimiert. So können die Bionik-Saatgutträger auch große Samen bei ungünstigen Bodenbedingungen effektiv in den Untergrund befördern und damit für bessere Keimchancen sorgen. Vor allem könnte das Konzept bei der Aussaat aus der Luft zum Einsatz kommen, um auf degradiertem Land wieder Bäume sprießen zu lassen, sagen die Wissenschaftler.
Nach Abholzungen, Bränden, durch Erosion und Dürren ist in manchen Regionen der Erde die Bodenqualität schlecht, sodass Pflanzen kaum noch Fuß fassen können. So geraten die Ökosysteme immer mehr in die Abwärtsspirale und sogar Wüsten breiten sich aus. Um diesem Problem entgegenzutreten, wird vielerorts versucht, die Neuansiedlung von Pflanzen gezielt zu fördern. Dabei ist eine Ausbringung von Saatgut aus der Luft am besten geeignet, um große und ansonsten unzugängliche Flächen zu versorgen. Doch die Effektivität dieser Maßnahmen hält sich oft in Grenzen. Denn auf den teils verhärteten und offenliegenden Flächen können Keimlinge schwer in den Boden eindringen, sie sind der Witterung ausgesetzt und Tiere können sie fressen.
Natürliches Vorbild
Genau gegen diese Widrigkeiten hat bereits eine Gruppe von Pflanzen ein cleveres Konzept entwickelt: Die Samen der Reiherschnabel-Gewächse (Erodium) sind mit einem eigenen Pflanzwerkzeug ausgerüstet. Es handelt sich um ein im trockenen Zustand korkenzieherförmiges Gebilde mit einer seitlich abstehenden Verlängerung. Der Clou: Wenn diese Struktur feucht wird, beginnt sie sich abzuwickeln. Die abstehende Verlängerung stützt dabei die Konstruktion auf dem Boden ab und so wird der schräg nach unten gerichteten Samen am unteren Ende in Drehung versetzt. Wenn das Korkenzieher-Element anschließend trocknet, dreht es sich wieder ein und verursacht somit erneut ein Drehmoment. So kann es den Samen in den Untergrund bohren.
Ein Team aus chinesischen und US-amerikanischen Forschern hat sich nun der Aufgabe gewidmet, das Bohrsystem der Reiherschnabelgewächse technisch nachzubilden und für die Samen anderer Pflanzen sowie für weitere Anwendungen nutzbar zu machen. Wie sie berichten, kristallisierten sich nach Tests mit verschiedenen Materialien für den Nachbau des Bohrsystems Eichenholzspäne als am besten geeignet heraus. Denn das Material ist leicht verfügbar, biologisch abbaubar und kann optimal für den Drehmechanismus sorgen, erklären die Forscher. Um die dynamischen Elemente herzustellen, werden dünne Holzstreifen mit bestimmten Flüssigkeiten behandelt, dann im feuchten Zustand aufgedreht und schließlich in dieser Form fixiert getrocknet. Analog zu der Version des Reiherschnabels, besitzt das Element auch eine abstehende Verlängerung. Die derart aufbereiteten Späne zeigten dann tatsächlich dasselbe Verhalten wie ihre natürlichen Vorbilder: Sie wickeln sich bei Feuchtigkeit ab und drehen sich beim Abtrocknen wieder auf.
Automatisches Pflanzwerkzeug
Mit diesen Elementen haben die Wissenschaftler Bionik-Saatgutträger in verschiedenen Größen und Versionen hergestellt. Am unteren Ende der Korkenzieherstruktur wird dabei der jeweilige Samen mit einer spitz geformten Ummantelung befestigt. Dieses Gebilde wird dann bei Feuchtigkeit beziehungsweise anschließender Trocknung durch das System in eine Drehung mit Bohreffekt versetzt. Es zeigte sich, dass die Effektivität des natürlichen Systems erhöht werden kann, berichten die Forscher: Wenn der verdrehte Holzspan mit zwei weiteren Verlängerungselementen ausgerüstet wird, kann sich die Konstruktion besser verankern und ausrichten, was dem Bohreffekt deutlich zugutekommt. Durch Tests konnten die Forscher zeigen, dass ihre dreiarmigen E-Seeds im Vergleich zur einfachen Version auch gut in glatte Bodenstrukturen eindringen können. So werden Tiefen erreicht, die zu einem deutlich gesteigerten Keimerfolg führen, zeigten die Untersuchungen.
Das System lässt sich dabei verschiedenen Anforderungen anpassen, heben die Forscher hervor: So können etwa auch größere Baumsamen „automatisch gepflanzt“ werden. Es zeichnet sich somit erhebliches Potenzial für den Einsatz bei der Aufforstung in Problemregionen ab. Konkret könnten Drohnen dort die E-Seeds abwerfen und für Wachstum auf degradierten Böden sorgen. Zudem wäre es auch möglich, Messsonden oder bestimmte nützliche Bodenorganismen in Problemböden einzubringen, wie etwa Mykorrhiza-Pilze, sagen die Forscher.
Die Forscher widmen sich nun der Optimierung des Systems sowie weiteren Anwendungsmöglichkeiten. Ein wichtiger Punkt ist dabei, Fertigungsverfahren zu entwickeln, die einen breiten Einsatz praktikabel und rentabel machen. “Möglichkeiten der Herstellung durch digitale Design- und Fertigungsmethoden sind entscheidend für unsere langfristigen Ziele”, sagt Co-Autor Guanyun Wang von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh.
Quelle: Carnegie Mellon University, Fachartikel, Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05656-3
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