#Katzen können auch anders

Katzen sind dafür bekannt, dass sie sehr griesgrämig in die Welt schauen können. Dies motivierte im Jahr 2019 kanadische Biologen, eine „Feline Grimace Scale“ (FGS) zu entwickeln, vielleicht am besten übersetzt mit Katzen-Grimassenskala. Dafür filmten sie Katzen mit akuten Schmerzen, spritzen ihnen dann Schmerzmittel und verglichen die Gesichtsausdrücke. Die Zeitschrift „New Scientist“ fragte hingegen im Jahr 2020 ihre Leser, ob Katzen überhaupt zu anderen als übellaunigen Gesichtsausdrücken fähig seien (die Antwort war Nein). Katzenbesitzer hierzulande meinten in einer Blitzbefragung: Ihre Stubentiger sehen fast immer gleich ausdruckslos aus. Die Umfrage war allerdings nicht repräsentativ, die beurteilten Katzen wurden außerdem in Ruhe gelassen und waren anders als bei der Studie, für die die Grimassenskala entwickelt wurde, schmerzfrei.

Nun hat sich herausgestellt: Jeder, der die Ausdrucksmöglichkeiten von Katzen geringschätzt, hat Unrecht. Hauskatzen (Felis catus) haben 276 verschiedene Gesichtsausdrücke im Repertoire. Herausgefunden hat das Katzenfan Lauren Scott, als sie an der University of California, Los Angeles, studierte.

Katzen unter sich

Ihre Forschung profitierte von einem Standortvorteil: Wenige Minuten von der Uni entfernt liegt ein Katzencafé. Dort haben unzählige heimatlose Katzen Asyl gefunden; die Gäste können beim Kaffeetrinken die Tiere streicheln, sie adoptieren oder – wie Scott – auf Video aufzeichnen. Scott hielt sich auch nach Geschäftsschluss im Café auf, um sicher zu sein, dass die Katzen nicht einfach nur die Gesichtsausdrücke der Menschen imitieren. Wie sie dabei beobachtet und zusammen mit Verhaltensforschern im Fachmagazin „Behavioural Processes“ publiziert hat, können die Tiere ihre Artgenossen freundlich oder feindlich anschauen – und auf alle mögliche andere Weisen dazwischen.

Immerhin 45 Prozent der Gesichtsausdrücke haben die Forscher als freundlich interpretiert – das sind mehr als die grimmigen, die nur 37 Prozent ausmachten. Als freundlich sahen die Verhaltensforscher dabei solche Gesichtsausdrücke an, bei denen die Katzen nicht mit Krallen aufeinander losgingen. Die restlichen 18 Prozent wurden als nicht eindeutig klassifiziert. Für all das stehen Katzen nach Erkenntnissen der Experten 26 einzelne Bewegungsmuster im Gesicht zur Verfügung. Hunde verfügen über nur ein Bewegungsmuster mehr, obwohl sie anders als Katzen als sehr soziale Tiere gelten.

Freundliche Gesichtsausdrücke ähneln sich

Menschen, ob gesellig oder nicht, können mit ihren Gesichtsmuskeln übrigens 44 einzelne Bewegungsmuster erzeugen; wie viele Gesichtsausdrücke das ergibt, darüber sind sich die Forscher noch nicht einig. Klar ist: Freundliche Gesichter ähneln sich bei Menschen, Eseln, Hunden, Katzen und anderen Tieren.

Ob sich das Ergebnis der überraschenden Ausdrucksvielfalt bei Katzen über die Haus- und Schoßtiere hinaus verallgemeinern lässt, konnte die Studie nicht aufklären. Wildkatzen sind seltene und scheue Einzelgänger. Und den weniger scheuen Großkatzen mag man lieber nicht direkt ins Gesicht sehen. So schließen die Forscher nicht aus, dass sich die Hauskatzen einen freundlichen Ausdruck nur deswegen angewöhnt haben, damit sie vom Essensteller des Menschen etwas abbekommen – es kann sein, dass sie innerlich weiterhin grantig dreinschauen.