Schleswig-Holstein streitet um das Northvolt-Debakel

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In Schleswig-Holstein spitzt sich der Streit zwischen Regierung und Opposition um die Folgen des Absturzes von Northvolt weiter zu. SPD, FDP und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), eine Minderheiten- und Regionalpartei, werfen der schwarz-grünen Koalition vor, das Parlament in Kiel nicht hinreichend über Risiken im Zusammenhang mit der geplanten Batteriezellfabrik informiert zu haben.
Die bislang veröffentlichten Akten und Schriftwechsel zeigten, „dass es in der Landesregierung durchaus Zweifel an der Belastbarkeit der Zahlen gab, die Northvolt lieferte“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kianusch Stender, am Donnerstag in einer Sitzung im Landtag.Bernd Buchholz von der FDP forderte, alle Schwärzungen in Akten zur Förderung der Batteriefabrik zu entfernen, damit volle Transparenz herrsche. Darüber soll nun ein Einigungsausschuss des Landtags entscheiden. Möglicherweise könnte das Thema auch vor dem Landesverfassungsgericht landen, sagte Buchholz.
Der Bund und das Land Schleswig-Holstein hatten Anfang 2024 eine Bürgschaft bewilligt, um die KfW-Bank abzusichern. Das staatseigene Institut zeichnete eine Wandelanleihe von 600 Millionen Euro, um den Aufbau der Batteriezellfabrik im Landkreis Dithmarschen zu fördern. Doch Northvolt geriet in immer größere Schwierigkeiten. Die Muttergesellschaft in Schweden ist insolvent, auch die deutsche Einheit ist in Not. Möglicherweise sind die Fördermittel verloren.
Die Oppositionsparteien möchten wissen, unter welchem Wissensstand die damaligen Entscheidungen fielen. Im Zentrum steht ein Gutachten der Beratungsgesellschaft PwC, die damals als Mandatar des Bundes auftrat und auf deren Expertise sich auch das Land Schleswig-Holstein zu einem wesentlichen Teil verließ. Vom SSW hieß es am Donnerstag, die Regierung um Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe in der Sache „das Vertrauen verspielt“. Auch in der Bundespolitik schlägt das Thema Wellen. Die CSU hat einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht, um die Rolle des damaligen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) aufzuklären.
Interne Mails zeugen von Unsicherheit
Zuletzt hatte die Regierung in Kiel einige Schriftwechsel veröffentlicht. Sie zeugen zumindest von Unsicherheit, die eine Zeitlang auf der Arbeitsebene herrschte. In in einer Mail aus dem Wirtschaftsministerium im Mai 2023 hieß es unter anderem: „…und das enge Zeitkorsett würde ich auch einmal näher konkretisiert wissen, wobei das für uns ja eigentlich nicht – sehr überspitzt gesprochen – bedeuten kann: ‚fröhlich lächeln und durchwinken’, zumal wir den Informationen eher ‚hinterherlaufen’.“ In einer anderen Mail ist von „Risiken und Info-Lücken“ die Rede, die sich seinerzeit gezeigt hätten. Auch die Gefahr, dass im Falle eines Scheiterns des Projekts „nach Schuldigen gesucht“ werde, wird thematisiert.
Wirtschaftsminister Claus-Ruhe Madsen (CDU) sagte am Donnerstag in Kiel, mit dem Wissensstand von heute könne man sich „natürlich über vieles erheben und empören“. Er wies von sich, dass bei der Zustimmung zur Wandelanleihe Warnungen von Fachleuten ignoriert worden seien. Madsen sagte zudem, er spreche mit dem Bund über den Umgang mit dem PwC-Gutachten. Aus seiner Sicht spreche nichts gegen eine vollständige Veröffentlichung. Derzeit wird auf der Baustelle in Heide nur noch mit gedrosseltem Tempo gearbeitet. Der schwedische Insolvenzverwalter sucht nach Investoren, die Northvolt ganz oder in Teilen übernehmen.
Northvolt hatte als Start-up in Schweden begonnen und sich vorgenommen, die Abhängigkeit der Automobilwirtschaft von Batteriezellen aus China zu verringern. Doch der Hochlauf des Stammwerks in Nordschweden gelang nur mit großer Verzögerung. Nach dem Rückzug des letzten verbliebenen Kunden Scania wird die Arbeit dort beendet. Scania, eine Tochtergesellschaft des an Northvolt beteiligten Volkswagen-Konzerns, hatte im Zuge des Insolvenzverfahrens schon eine Industriesparte von Northvolt übernommen. Wie jetzt bekannt wurde, könnte sich das Lastwagenunternehmen auch an einem Konsortium beteiligen, das den Entwicklungsstandort in Västerås übernehmen könnte. Der Insolvenzverwalter führe dazu Gespräche mit verschiedenen Beteiligten, heißt es in informierten Kreisen.
Ein Verkauf des Kerngeschäfts mit der Zellproduktion gestaltet sich dagegen schwierig, auch weil chinesische Hersteller ihr Tempo weiter erhöht haben. Im Markt herrscht nun ein Überangebot an Batteriezellen. Vom SSW hieß es am Donnerstag, man sei weiter guter Hoffnung, in Heide eine „Wirtschaftsansiedlung“ zu bekommen. Ob dort wirklich einmal Zellen hergestellt werden oder ein anderes Unternehmen dorthin kommt, ist aber ungewiss.
Schon im Jahr 2020 hatte der Bund eine Finanzierungstranche für Northvolt über 525 Millionen Dollar zu 80 Prozent abgesichert. Die Bürgschaft für die spätere Wandelanleihe hatten sich Bund und Land dann jeweils zur Hälfte geteilt. Etwa die Hälfte der 600 Millionen Euro umfassenden Mittel ist dem Vernehmen nach schon in die Baustelle in Heide geflossen oder durch Verträge gebunden. Ob Deutschland auf die übrigen Beträge Zugriff bekommt oder ob sie im Insolvenzverfahren verloren gehen, ist unklar.
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