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#Schriftsteller Thomas Rosenlöcher gestorben

„Schriftsteller Thomas Rosenlöcher gestorben“

Das Erste, was ich von Thomas Rosenlöcher las, war 2005 ein damals gerade frisch erschienener Band aus der berühmten Insel-Bücherei: „Wie ich in Richters Brautzug verschwand – Zwei Dresdner Erzählungen“. Seinerzeit lebte ich selbst in Dresden, und die Leichtigkeit, mit der Rosenlöcher da schrieb – obwohl es auch damals schon schwer war, vor den Augen seiner oft selbstverliebten Mit-Dresdner zu bestehen –, beeindruckte. Vor allem die Titelgeschichte, die genau das einlöste, was die Benennung des Buchs versprach: Das berühmte Bild aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, ein Meisterwerk der Romantik, wurde von Rosenlöchers Erzähler betreten, doch er verschwand darin keineswegs, denn wie sein Autor das erzählte, ist mir bis heute unvergesslich. Also las ich seitdem mehr von ihm.

„Wie ich in Richters Brautzug verschwand“ war ein in vieler Hinsicht symptomatisches Buch für diesen Schriftsteller. Schon sein Debüt, erschienen 1982 in der DDR, führte die subjektive Haltung der Rosenlöcher’schen Literatur sofort vor Augen: „Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz“. Das war eine Sammlung von Gedichten und Notaten, meist weltenthoben in ihrer Privatheit, und der Name des Dresdner Stadtteils direkt an der Elbe verwies denn auch auf das, was heute „autofiktional“ heißt. Rosenlöcher betrieb es schon seit vierzig Jahren und in allen literarischen Gattungen. Aber erstmal war bei ihm alles Lyrik. Einer seiner Gedichtbände hieß später „Ich sitz in Sachsen und schau in den Schnee“.

Er liebte seine sächsische Heimat und besonders seine Heimatstadt Dresden. Immerhin verschlug es ihn auch ein paar Jahre nach Leipzig; der 1947 Geborene ging fürs Literaturstudium ans dortige Johannes-R-.Becher-Institut – drei Jahre lang; danach verließ er Dresden nur noch einmal länger für einen Stipendienaufenthalt in der römischen Villa Massimo. Als er sich fürs Schreiben entschied, war er schon Ende zwanzig und hatte zuvor Ökonomie studiert. Rosenlöcher galt als gesellschaftskonform, also gewährte man ihm diese Umorientierung. Sein erstes Buch erschien dann aber nicht bei einem der Berliner oder Leipziger Renommierverlage der DDR, sondern in Halle beim Mitteldeutschen Verlag, wo auch ideologisch Randständiges gedruckt wurde. Das zeigte gleich, dass man es bei Rosenlöcher nicht mit einem Staatsdichter zu tun haben würde. Er war Dresdner, also Romantiker.

Seine Herzenssache war die Lyrik

Aber kein weltfremder oder reaktionärer, so nostalgisch seine ästhetischen Vorlieben auch waren. Er selbst war vielmehr ganz woanders, nämlich vorneweg. So 1990 mit einem Tagebuch zur Wendezeit, das ihm den Weg zu Suhrkamp öffnete. Und auch in den drei Jahrzehnten seither, in denen er sich immer wieder mit Aufsätzen in Dresdner Angelegenheiten einmischte. Aber die Gedichte blieben seine wahre Herzenssache, weshalb er sich über die Politisierung des gesellschaftlichen Lebens in Dresden durch den Streit um Pegida aufregte. Für die „Zeit“ gab er vor ein paar Jahren eine ambivalente Liebeserklärung an seine Stadt zu Protokoll, in der er sich daran erinnerte, wie nahe er nicht nur vor der Wende vorm Weggehen gewesen war: „In München oder Wien gibt es noch Leute, die Gedichte lesen und einem sogar ein Buch abkaufen.“ Aber er wusste auch: „Die wahre Dresdenliebe kommt aus dem Dresdenverlust.“ Historisch durch die Bombennacht, aktuell durch das Gefühl so mancher, nicht mehr dort zu Hause zu sein. Er bemühte sich darum, beide Seiten zu verstehen.

Nach großer Aufmerksamkeit für Rosenlöcher im ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung war es zuletzt stiller um ihn geworden. In Dresden war er weiter weltberühmt, aber die Option, es doch noch einmal woanders zu versuchen, gab es nicht mehr. 2018 wurde noch ein damals bereits elf Jahre alter Erzählungsband mit jeweils zweiseitigen Geschichten von ihm ins Französische übersetzt: „L’Homme qui croyait encore aux cygognes“ – im Original „Der Mann, der noch an den Klapperstorch glaubte“. Damit bewiesen die Franzosen guten Geschmack, wie auch Rosenlöcher selbst, der dieses Buch beim Rostocker Hinstorff Verlag publiziert hatte, der berühmt gewesen war für seine Inopportunität zu DDR-Zeiten. Suhrkamp aber wollte seine Texte längst nicht mehr, und zuletzt verlegte sich Rosenlöcher immer mehr auf Bücher für junge Leser. Das hielt ihn lesbar selbst jung, und so kommt die Nachricht, dass er an diesem Mittwoch in Dresden gestorben ist, umso überraschender. Thomas Rosenlöcher war 74 Jahre alt, als er nun doch noch im Brautzug verschwand.

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