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#Schwarze Sonne, scheine

„Schwarze Sonne, scheine“

Auf den Klimawandel war Anthony Kiedis vorbereitet: Er läuft gefühlt seit 1988 nur mit freiem Oberkörper herum, um dessen gestählte Pracht und seine Tribal-Tattoos zur Schau zu stellen. Mindestens genauso lange schon sind die Lieder seiner Red Hot Chili Peppers Elegien. Denn 1988 starb deren früherer Gitarrist Hillel Slovak an einer Überdosis Heroin, was der Sänger seither immer wieder in Texten und Melodien herzzerreißend verarbeitet. Und spätestens seit dem Album „Californication“ von 1999 sind diese Lieder auch oft Abgesänge auf die westliche Zivilisation.

In Zeugnissen wie dem Langgedicht „Key West (Philosopher Pirate)“, worin Bob Dylan auf seinem jüngsten Album ebenfalls deren Endpunkt besingt, in den klanglichen Sonnenuntergängen von Lana Del Rey und Father John Misty und eben in denen der Red Hot Chili Peppers ist so in der amerikanischen Songdichtung ein trauriger neuer Refrain entstanden: Woody Guthries euphorischem „This land is your land, this land is my land / From California to the New York Island“ steht längst ein Liedgut gegenüber, das von Florida bis Kalifornien nur noch Spätzeit und Verfall sieht. „Everyone and their best friend knew / That the west was overdue“, singt Anthony Kiedis jetzt.

Die Nacht im Mittagskleid

Programmatisch heißt das Auftaktstück des neuen Albums „Black Summer“. Darin steht das Leben Kopf – „the night is dressed like noon“ –; es scheint nur noch eine schwarze Sonne, die den letzten Menschenbesitz verkohlt. Schon immer gab es auf den Alben der Band einen Wechsel aus zündenden Funkrock-Songs und Balladen. Auf „Unlimited Love“ (erschienen bei Warner) überwiegen die Letzteren. Dieses Langwerk wirkt wie eine Bilanz der Welt und der Band. In der Pandemiezeit seien fünfzig Songs entstanden (oder gar hundert, glaubt man einer anderen Quelle). Siebzehn davon sind auf dem Album gelandet, das damit schon fast an das Doppellalbum „Stadium Arcadium“ (2006) heranreicht. Die Rückkehr des Produzenten Rick Rubin und des Gitarristen John Frusciante, der seinen Vertreter Josh Klinghoffer nun wieder ablöst, ermöglicht Eskapaden.

Während Frusciante früher oft „clean“ spielte, erinnert er nun an den Verzerrungsstil von Jimi Hendrix. Auch der Bassist Flea und der Schlagzeuger Chad Smith spielen noch freier auf denn je: Die Band löst sich hier von ihrem Signatur-Sound und scheint uns eine geführte Tour durch die Rockgeschichte geben zu wollen. Textlich spiegelt sich das in der Form des musikalischen Memoirs: Das Lied „Poster Child“ etwa ist eine Archivierung in fröhlicher Nonsens-Lyrik („Melle Mel and Richard Hell / Were dancing at the Taco Bell“), in „Aquatic Mouth Dance“ erinnert sich Kiedis seiner Einflüsse aus Rap und Heavy Metal. Die Wunder seiner Stimme kommen aber doch am besten in den Elegien zum Ausdruck: „Not the One“ etwa ist ein großes Liedkunstwerk, in dem das Schwerste leicht wirkt, auch weil Flea seinen springenden Bass so ausgeruht und doch messerscharf spielt.

Die melancholische Rückschau macht es dann auch möglich, doch noch einmal von der Schönheit Kaliforniens zu singen, die heute so bedroht ist. Es geschieht beim überraschendsten Lied des Albums, „White Braids & Pillow Chair“. Der Titel könnte der eines Bildes sein, im Zentrum eine rätselhafte Schönheit in einem rätselhaften Sessel, die den Sänger schwärmen lässt. Und das alles in „California blue“, mit „Deep Ventura sky / Rolling by“.

Metaphern um Wellen haben die Chili Peppers schon oft bemüht, aber den regelrechten Surf-Sound, wie ihn Dick Dale mit seiner Tremolo-Gitarre etabliert hat, hätte man von ihnen nicht erwartet. In die Retromanie dieses Liedes, dessen Ritt langsam wilder wird, kann man völlig eintauchen, darin untergehen. Man möchte es wieder und wieder hören: „Santa Cruz in June / Be the gloom / Surf the moon.“

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