#Schwarzes Loch zeigt ungewöhnliche Röntgenoszillationen

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Astronomen haben ein ungewöhnliches Verhalten bei einem supermassereichen Schwarzen Loch in einer rund 100 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie beobachtet: Messungen des europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton zeigen, dass dieses Schwarze Loch seit 2022 schneller werdende Oszillationen in der von ihm freigesetzten Röntgenstrahlung aufweist. Der Takt dieser Röntgenoszillationen legt nahe, dass ihre Quelle sehr dicht am Ereignishorizont des Schwarzen Lochs liegt. Möglicherweise verbirgt sich hinter diesen Oszillationen ein eng um das Schwarze Loch kreisender Weißer Zwerg, wie die Astronomen berichten. Ungewöhnlich ist allerdings, dass dieser Sternenrest weit langsamer als für ein Objekt seiner Masse erwartet vom Schwarzen Loch angezogen wird.
Wenn ein Stern oder eine Gaswolke zu nah an ein supermassives Schwarzes Loch geraten, ist ihr Schicksal besiegelt: Sie werden von den enormen Gezeitenkräften im Umfeld des Schwarzen Lochs zerrissen und das aufgeheizte und beschleunigte Material bildet eine um den Ereignishorizont kreisende Akkretionsscheibe, von der energiereiche UV- und Röntgenstrahlung ausgeht. Sichtbar wird dieses sogenannte “Tidal Disruption Event” meist durch einen weithin sichtbaren Strahlungsausbruch.
Erst Ausbruch, dann Oszillationen
Ein solches Ereignis detektierten Astronomen im März 2018 auch um das supermassereiche Schwarze Loch 1ES 1927+654. Dieses rund eine Million Sonnenmassen schwere Schwarze Loch liegt im Zentrum einer rund 100 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten XMM-Newton der europäischen Raumfahrtagentur ESA zeigten zunächst einen Strahlungsausbruch, dann ein Verschwinden der zuvor existierenden Corona aus harter Röntgenstrahlung um das Objekt. “Der Strahlungsfluss der Röntgenstrahlung im Bereich von 0,3 bis 10 Kiloelektronenvolt sank innerhalb von zwei Monaten um den Faktor 1000, bevor er dann allmählich wieder zunahm”, berichten Megan Masterson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ihre Kollegen. Dies deutete daraufhin, dass die Akkretionsscheibe und die sie umgebende Röntgen-Corona bei dem Ausbruch vorübergehend stark dezimiert worden waren. Erst im Jahr 2021 erreichten die Röntgenemissionen um das aktive Schwarze Loch wieder die frühere Intensität.
“Einige Jahre lang tat sich dann nichts Neues, aber wir behielten es im Auge, weil die Röntgen-Corona so schön und hell war”, berichtet Co-Autorin Erin Kara vom MIT. “Doch dann bemerkten wir etwas, das noch nie zuvor beobachtet worden ist.” Im Jahr 2022 zeigten Daten von XMM-Newton, dass die Röntgenstrahlung um das Schwarze Loch 1ES 1927+654 in einem fast regelmäßigen Takt schwankte. Diese Oszillationen zeigten sich im Schnitt alle 18 Minuten. “Bisher sind nur eine Handvoll akkretierender supermassiver Schwarzer Löcher bekannt, die solche quasi-periodischen Oszillationen im Millihertzbereich zeigen”, schreiben die Astronomen. Noch ungewöhnlicher war jedoch, dass sich der Abstand dieser Oszillationen innerhalb von nur zwei Jahren auf nur noch sieben Minuten verringerte. “Wir haben noch nie zuvor eine so dramatische Variabilität in der Rate der Strahlungsschübe gesehen”, sagt Masterson. “Dies ist ganz anders als bei einem normalen Schwarzen Loch.”
Was ist die Ursache der Röntgenschwankungen?
Die Astronomen vermuten, dass diese Röntgenschwankungen durch ein schnell um den Ereignishorizont von 1ES 1927+654 kreisendes Objekt verursacht wird. “Wenn man ein solches Phänomen im Röntgenbereich sieht, dann verrät einem das, dass dort etwas sehr nah am Schwarzen Loch ist”, erklärt Kara. In diesem Fall schätzen die Astronomen den Abstand auf nur wenige Millionen Kilometer vom Ereignishorizont. Es könnte sich dabei um ein extrem kompaktes Objekt von der Masse eines Sterns handeln, das gerade auf spiraligem Todeskurs ins Schwarze Loch ist. Ein weiteres Merkmal der Oszillationen passt jedoch nicht ins Bild: Typischerweise müssten sich die Oszillationen schneller beschleunigen, je näher das Objekt dem Ereignishorizont kommt. Doch die Röntgen-Oszillationen am Schwarzen Loch 1ES 1927+654 nehmen mit der Zeit immer langsamer zu. Nach Ansicht von Masterson und ihrem Team muss das Objekt daher Material abgeben, ohne dass es zerstört wird. Dieser Massentransfer verleiht ihm einen kleinen “Kick”, der seinen Sturz in Schwarze Loch abbremst und vielleicht sogar verhindern kann.
Als wahrscheinlichsten Kandidaten für ein solches Objekt identifizierten die Astronomen mithilfe von Modellsimulationen einen Weißen Zwerg von rund einem Zehntel Sonnenmasse. Ein solcher extrem dichter, kleiner Sternenrest wäre stabil genug, um trotz Materialverlust aus seiner äußeren Hülle intakt zu bleiben. “Weil diese Sternenreste so klein und kompakt sind, sind sie nur schwer auseinanderzureißen, dadurch können sie einem Schwarzen Loch sehr nahe kommen, ohne zerstört zu werden”, erklärt Kara. “Dies könnte dann das nächste je an einem Schwarzen Loch detektierte Objekt sein.” Theoretisch wäre es sogar möglich, dass dieser Weiße Zwerg seinen Sturz ins Schwarze Loch nicht nur abbremst, sondern ihm sogar ganz entgeht. Bisher ist jedoch unklar, ob es im Orbit um das supermassereiche Schwarze Loch 1ES 1927+654 wirklich einen Weißen Zwerg gibt oder ob die ungewöhnlichen Röntgenoszillationen doch eine andere, noch unbekannte Ursache haben. Die Astronomen hoffen, dass weitere Beobachtungen, auch mit dem in den 2030er Jahren ins All startenden Gravitationswellen-Detektor LISA, mehr Klarheit geben werden.
Quelle: Megan Masterson (Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, USA) et al., Nature, doi: 10.48550/arXiv.2501.01581
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