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#Sein Geschenk an die Öffentlichkeit

Sein Geschenk an die Öffentlichkeit

Vor wenigen Wochen ging in den italienischen sozialen Medien ein Video viral, das Umberto Eco in seiner Wohnung in Mailand zeigt. Die Kamera folgt dem großen Semiotiker und Schriftsteller, der offenbar ein bestimmtes Buch zur Hand nehmen möchte, durch den Flur in seine Bibliothek. Eco geht schnellen und zielgerichteten Schrittes, er durchquert ein Labyrinth aus unzähligen Regalkorridoren, mit Abertausenden von Büchern. Vor einem Regal bleibt er schließlich stehen, betrachtet einen Wimpernschlag lang die Buchrücken – und zieht das gesuchte Werk hervor. Eindrucksvoller ist wahrscheinlich nie demonstriert worden, der 2016 verstorbene Schriftsteller verlor trotz der Fülle seiner Bücher nie den Überblick, wo jeder einzelne seiner Lieblinge steht.

Karen Krüger

Wenige Tage, bevor sich am 19. Februar Umberto Ecos Todestag zum fünften Mal jähren wird, ist nun offiziell geworden, was zuvor schon durchgesickert war (F.AZ. vom 10. Januar): Ecos Büchererbe, um das sich zahlreiche Mythen ranken, kommt an zwei Standorte. Die moderne Bibliothek mit ihren etwa 30.000 Bänden sowie seine Manuskripte, Korrespondenzen und andere Autographen werden als Schenkung der Familie für neunzig Jahre an die Universität von Bologna gehen, wo Eco eine Professur für Semiotik innehatte. Seine kostbare Sammlung antiker Bücher hingegen, die etwa 1200 Werke zählt, darunter 360 Inkunabeln und 380 Bände, die zwischen dem sechzehnten und neunzehnten Jahrhundert gedruckt wurden, wird in der Nationalbibliothek Braidense in Mailand ihre neue Heimat finden. Sie bleiben also in der Stadt, in der Eco mit seiner Familie lebte und auch starb. Der italienische Staat hat der Familie die Sammlung abgekauft, die Rede ist von zwei Millionen Euro, die dafür geflossen sein sollen.

Vorausgegangen waren jahrelange zähe Verhandlungen zwischen den Erben und dem italienischen Kulturministerium, die kurz nach dem Tod des Schriftsellers ihren Auftakt nahmen. Umberto Eco selbst soll sich nie eindeutig zu dem möglichen Verbleib seiner Bücher geäußert haben. Es war jedoch absehbar, dass seine Familie sie kaum halten können wird. Seit dem Jahr 2004 gibt es in Italien ein nicht unumstrittenes Gesetz, das bedeutende Büchersammlungen und Archive von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte de facto der Kontrolle des Staates unterstellt. Das Ziel bestehe darin, heißt es, die Werke zu schützen und deren Abwanderung ins Ausland zu verhindern.

Die mit dem Gesetz verbundenen Auflagen für die Konservierung des Erbes sind hoch. Unter bestimmten Umständen sind sie von Privatpersonen nur schwer zu erfüllen. Einen möglichen Ausweg bietet der komplette Verkauf; das Vorkaufsrecht hat der Staat. Erschwerend für die Verhandlungen mit der Familie Eco kam hinzu, dass der Büchernachlass im Herbst 2018 per Dekret zu einem unteilbaren Gut erklärt wurde, das dem Staatsarchiv Mailand zuzuordnen sei. Gegen die Unteilbarkeit legten die Erben gerichtlich Widerspruch ein. Der jetzt bekannt gewordene Verbleib der Bücher liest sich als Kompromiss, auf den man sich einigte.

Die Angelegenheit ist also in trockenen Tüchern, die großartige Bibliothek wird bald Interessierten aus aller Welt zugänglich sein. Doch erst jetzt, nach der offiziellen Erklärung des Kulturministeriums, wird das Beschlossene in der italienischen Presse als das gefeiert, was sie ist: ein großes Geschenk an die Öffentlichkeit. Zunächst hatte die Nachricht von der möglichen Aufteilung des Erbes für heftige Kritik gesorgt. Von „Pietätslosigkeit“ war die Rede, von einer „kuriosen Entscheidung, zumal bei einem komplexen Autor, der (funktional) als Ganzes betrachtet werden sollte“. Im „Corriere della sera“ hieß es in einem Artikel und in ungewohnt aggressiven Ton, die gefundene Lösung mache vielleicht Ecos Familie und die übrigen Beteiligten glücklich, zerstreue aber die intellektuelle Persönlichkeit des Schriftstellers in verschiedene Tranchen, „was die Gesamtvision zersplittert und die Konsultation für die Gelehrten unbequemer macht“. Die Zeitung „Il Fatto quotidiano“ giftete, Ecos Bibliothek werde zerteilt, „wie man im Mittelalter, das ihm so teuer war, die Körper von Heiligen zerstückelte, um keinen der glühenden und frommen Fetischisten zu verärgern.“ Der Widerspruch der Familie bezüglich der Unteilbarkeit des Nachlasses sei „nicht von Fairness gegenüber einem Staat inspiriert gewesen“, und der Staat hätte sich „privaten Interessen und Launen“ gebeugt.

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