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#So geht es den Deutschen nach Corona und während Krieg

„So geht es den Deutschen nach Corona und während Krieg“

Stephan Grünewald, Sie und Ihre Kollegen am Rheingold-Institut haben die Stimmung im Land nach zwei Jahren Corona und drei Monaten Krieg ermittelt. Dafür haben Sie Menschen tiefenpsychologisch interviewt. Wie geht es uns also gerade?

Gerade sind wir in einer Phase des Umbruchs. Einerseits sind die Menschen froh, dass viele Corona-Maßnahmen weggefallen sind, und genießen die warmen Frühlingstage. Andererseits verleiht der Krieg dem Alltag eine Unwirklichkeit: Man taumelt zwischen Frühlingserwachen und schrecklichen Kriegsbildern hin und her. In den letzten Wochen wird der Krieg jedoch von vielen immer stärker verdrängt: Man beschwört die Normalität oder startet private Ablenkungsmanöver. Die Verdrängung funktioniert aber nie ganz, die Kriegswirklichkeit macht sich immer wieder als „Kriegs-Tinnitus“ bemerkbar.

Was genau meinen Sie damit?

Die Kriegsrealität artikuliert sich trotz aller Ausblendungsversuche immer wieder als bedrohliches Grundrauschen.

Wie war die Lage zu Kriegsbeginn?

Die Menschen fielen anfangs in eine Schockstarre, viele äußerten ihre Ängste, dass der Krieg völlig eskaliert. Sie blickten wie das Kaninchen vor der Schlange paralysiert in den Kriegsabgrund. Viele starrten gebannt auf Newsticker – in der Hoffnung, dort eine erlösende Botschaft zu sehen. Gleichzeitig beobachteten wir Versuche, der Ohnmacht zu entkommen – indem man spendete, indem man Solidaritätsbekundungen startete, indem man mental die Koffer packte und Fluchtgedanken hegte.

Psychologe Stephan Grünewald empfiehlt den Nachrichtenkonsum zu dosieren.


Psychologe Stephan Grünewald empfiehlt den Nachrichtenkonsum zu dosieren.
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Bild: obs

Was vermissen die Menschen in Deutschland gerade?

Sie vermissen vor allem die Unbeschwertheit. Viele Menschen haben ihren Nachrichtenkonsum drastisch reduziert, einige haben ihn sogar komplett eingestellt, um nicht mehr mit den erschütternden Kriegsbildern konfrontiert zu werden. Aber die Verdrängung des Krieges ist sehr anstrengend, sehr erschöpfend.

Und was tun wir dagegen?

Nach den Corona-Entbehrungen ist es vielen gerade wichtig, Gemeinschaft zu erleben und im Biergarten oder Freundeskreis eine kollektive Selbstbestärkung in der Krise zu erleben. Gleichzeitig will man zeigen, dass man sein Leben umstellen kann. Viele berichten, dass sie ihr Konsumverhalten verändern – auch wenn das nicht zwingend notwendig ist. Dadurch beweist man sich und der Welt, dass man krisenfest und veränderungsbereit ist. Und wieder andere feiern, als gäbe es kein Morgen, der berühmte Tanz auf den Vulkan.

Wer geht denn welchen Weg?

Die Exzess-Stimmung finden wir vor allem bei jungen Leuten, die die aktuelle Krise noch mal in einem stärkeren Maß verdrängen als die älteren. Die Kriegs­realität stellt ihre friedliche Lebenshaltung auf den Kopf. Bei vielen älteren Menschen erleben wir, dass sie eher noch in einem zurückgezogenen Corona-Modus sind. Bei Menschen in der Lebensmitte wächst derzeit oft der Wunsch nach Autarkie. Da wird die Brotbackmaschine angeschafft und Mehl oder Öl gebunkert.

Wie ist das Verhältnis zwischen Krieg und Corona in den Köpfen?

Corona ist immer noch das zentrale Gesprächsthema. In unseren Interviews reden die Menschen über alles, aber erst einmal nicht über den Krieg. Das Thema Krieg polarisiert auch nicht so sehr wie das Thema Corona. Die meisten haben ambivalente Gefühle hinsichtlich des Krieges. Die sagen uns dann, natürlich müsse man solidarisch sein und die Ukraine unterstützen, die werden ja angegriffen. Aber im nächsten Moment äußern sie auch die Angst, dass Deutschland zur Kriegspartei wird.

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Hat Corona seinen Schrecken verloren?

Beim Thema Corona fühlen sich die meisten Menschen mittlerweile heimisch. Hier haben sie ihre Glaubensgrundsätze und Schutzmaßnahmen, die ihnen das Gefühl von Kontrolle geben. Und hier unterscheidet jeder klar zwischen richtigen und falschen Positionen.

Gibt es etwas, das Sie empfehlen, wenn es jemandem schlecht geht?

Eine Empfehlung ist es, den Nachrichtenkonsum zu dosieren, aber nicht ganz zu kappen. Tagsüber können die meisten durch ihre Geschäftigkeit und andere Ablenkungsmanöver den Krieg gut ausblenden. Aber in der Nacht werden die verdrängten Geister wieder wach. Morgens haben sie dann das Bedürfnis, erst einmal zu klären, was in der Nacht geschah. Auch wichtig ist es, Ambivalenzen, die man verspürt, im Gespräch zu artikulieren. Das ist, was den Menschen am meisten hilft: mit anderen zusammenzukommen, sich auszutauschen, über Sorgen zu reden, aber auch gemeinsam Zuversicht zu entwickeln.

Was gibt den Menschen Hoffnung?

Vor allem der Blick darauf, die unterschiedlichen Krisen der letzten zwei Jahre gut überstanden zu haben, und der damit verbundene Stolz, das eigene Verhalten auch umstellen zu können. Zudem haben viele ihre Beziehungen neu aufgestellt: Nicht nur die Kleiderschränke sind aufgeräumt worden, sondern auch viele sogenannter Freunde sind in der Altkleidersammlung gelandet. Mit wem man aber jetzt noch Zeit verbringt, bei dem hat man das Gefühl, dass man sich im Notfall auf diese Person verlassen und im Hinblick auf die Zukunft zusammen etwas bewegen kann. Auch das gibt Zuversicht.

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