#So sehr leiden Opfer sexuellen Missbrauchs in Zeiten der Pandemie
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„So sehr leiden Opfer sexuellen Missbrauchs in Zeiten der Pandemie“
„Das Hilflos-ausgeliefert-sein-Gefühl der Kindheit kehrte für mich in der momentanen Situation zurück“, berichtet eine vom sexuellen Missbrauch Betroffene in einer Befragung über die Folgen der Pandemie. Viele Opfer sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend erleben die gegenwärtige Pandemie als wiederholte Ohnmacht, Hilflosigkeit und eingeschränkte Selbstbestimmung. Einige berichten auch vom Abbruch ihrer Therapien und von Suizidgedanken. Das geht aus einer Befragung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hervor, an der vom 9. Juni bis 5. Juli 823 Menschen teilnahmen, in der Mehrheit Frauen.
Heike Schmoll
Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.
Der Online-Fragebogen bestand aus acht thematischen Abschnitten mit insgesamt 22 Fragen. Im Anschluss an die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten gab es ein Freifeld für individuelle Antworten. Der Fragebogen war von der Ethikkommission des Fachbereichs Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt positiv begutachtet worden. Überwiegend nahmen Menschen teil, die älter als 30 Jahre alt waren, am häufigsten waren 41 bis 60 Jahre alte Personen vertreten. Nur 0,7 Prozent waren unter 20 und 6,3 Prozent unter 30 Jahre alt.
Knapp ein Drittel der Befragten berichtete von einer Verschärfung ihrer finanziellen Situation. Einige befürchten, dass die ohnehin schmalen Entschädigungsleistungen von Institutionen durch die zusätzlichen Kosten für die Pandemie noch mehr geschmälert werden könnten. In der Regel handelt es sich um Menschen, die vorher schon in einer prekären finanziellen Situation gewesen waren und dann durch Zusatzausgaben, etwa für Masken, in Nöte gerieten.
Die Maske ruft unterschiedliche Assoziationen hervor
Das Maskentragen – manche erinnerte es an Missbrauchserfahrungen durch masketragende Täter – wird von den Befragten sehr unterschiedlich erlebt. Während die einen mit Panikattacken reagieren, fühlen sich andere sicherer, weil ihnen niemand zu nahe kommt, und denken sich „jetzt sehen die anderen, wie es mir schon immer geht“. Problematisch ist, dass Therapie und Beratung nicht mehr ausreichend gewährleistet werden konnten. „Mein Aufarbeitungsprozess hat sich verschlechtert, ich habe Rückschritte gemacht“, berichtet eine Betroffene, deren Therapeutin aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit ausgesetzt hat.
Selbsthilfegruppen fanden pandemiebedingt fast überhaupt nicht mehr statt; auch alle anderen Beratungsformen wurden zu mehr als 50 Prozent unterbrochen. „Ich war erst froh, durch Corona isoliert sein zu dürfen ohne Nachfragen, aber je länger der Zustand dauert, umso mehr wird die Einsamkeit zu Trauer und Verzweiflung. Ich suche immer noch vergebens nach einer Therapeutin, alle sind total überlaufen“, berichtet eine der Befragten. Kontrollverlust und Ausweglosigkeit belasten viele Betroffene.
Viele Therapeuten erwiesen sich nach den Berichten der Betroffenen aber auch als flexibel und boten Gespräche oder Spaziergänge im Freien an, andere wichen auf Video-Sprechstunden aus, was Betroffene teils als schwierig empfanden. Unterschiedlich ausgeprägt waren auch die Ängste, die aus der Kindheit wieder hochkamen. Am stärksten waren sie bei Betroffenen, die im Heim oder Internat Missbrauch erlebt hatten oder in organisierten Strukturen.
Sorge vor zunehmender Gewalt
Auf die Frage, an wen sie sich mit ihren Sorgen wendeten, sagen die Hälfte, sie behielten ihre Sorgen für sich, andere wenden sich an ihren Partner oder Freunde. Die größte Sorge ist für die Befragten, dass die Gewalt in Familien zunimmt (70 Prozent haben diese Befürchtung) und sie in eine psychische Krise rutschen. Als Kraftquellen gaben die Befragten vor allem Aktivitäten an, die sie allein unternehmen konnten: also Lesen, Schreiben oder Filme schauen, dazu Kochen und Spazieren gehen.
Die Unabhängige Kommission arbeitet derzeit an der Veröffentlichung einer zweiten Online-Befragung, für die umfangreiche Kommentare ausgewertet werden, die von 400 Betroffenen in den Fragebögen mitgeteilt wurden. „Die Stimmen der Betroffenen anzuhören ist für die Kommission eine zentrale Aufgabe. Dies gilt insbesondere in einer Zeit mit großen Belastungen. Es ist gerade jetzt besonders wichtig, für Betroffene sichtbar und ansprechbar zu sein“, sagt die Vorsitzende der Kommission, die Frankfurter Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen.
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