Nachrichten

So verheerend waren seine ersten 100 Tage

Es war einer dieser typischen dystopischen Trump-Aussagen im Wahlkampf: „Der Aktienmarkt wird abstürzen wie 1929, sollte sie gewählt werden“, sagte er über seine demokratische Konkurrentin Kamala Harris. Auch sonst kettete sich Trump wie kein anderer Präsident vor ihm an den Erfolg an der Wall Street. Auf dem sozialen Netzwerk Twitter (heute X) verkündete er während seiner ersten Amtszeit regelmäßig neue Börsenrekorde. Dabei war seine Börsenbilanz in seiner ersten Amtszeit allenthalben durchschnittlich: Der S&P 500 notierte 63 Prozent im Plus – unter anderen Präsidenten haussierte der Markt mehr, unter anderen weniger.

Doch wenn es heute um die Wall Street geht, ist der amerikanische Präsident auffallend still. Dafür gibt es einen guten Grund: Seine Börsenbilanz der ersten 100 Tage, die am 30. April endeten, ist katastrophal. Seit seiner Vereidigung am 20. Januar notiert der S&P 500 bis heute rund acht Prozent im Minus. Es gibt nur zwei Präsidenten in der Nachkriegszeit, die in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit eine schlechtere Börsenperformance hinnehmen mussten als Präsident Donald Trump: Unter Gerald Fords ersten 100 Tagen im November 1974 fiel der S&P 500 um 11,8 Prozent. Die zweitschlechteste Performance erzielte Richard Nixon in seiner zweiten Amtszeit im selben Jahr – damals verlor der S&P 9,7 Prozent. Die Voraussetzungen waren aber andere: Das Land kämpfte nach der Amtsenthebung Nixons wegen der Watergate-Affäre zusätzlich mit der Ölkrise: Das einjährige arabische Ölembargo löste damals eine zweistellige Inflation und eine Stagflation aus.

Achterbahnfahrt an den Börsen

Die Voraussetzungen für Donald Trump waren ungleich besser, um erfolgreicher in seine zweite Amtszeit zu starten: Als er im Januar sein Amt antrat, lag die Inflation bei 2,9 Prozent und war rückläufig und die Wirtschaft war insgesamt stark. Unmittelbar nach seinem Wahlsieg setzten die Händler voll auf „America First“ und verhalfen dem S&P 500 zum besten Ergebnis nach einer Wahl aller Zeiten. Doch dann verhängte Trump am 2. April die höchsten Zölle seit einem Jahrhundert, und die Aktienmärkte auf der ganzen Welt rauschten ab. Seitdem fahren die Preise Achterbahn. Zahlreiche Ökonomen und Marktexperten sagen nun für die zweite Jahreshälfte eher eine Rezession als einen Boom voraus. Der Anfang dafür ist gemacht: Überraschend sank im ersten Quartal das Bruttoinlandsprodukt (BIP): Es fiel in den ersten drei Monaten annualisiert um 0,3 Prozent, wie das Handelsministerium in Washington laut einer ersten Schätzung am Mittwoch mitteilte. Fachleute hatten nicht mit einer solch deutlichen Entwicklung gerechnet, sondern waren lediglich von einer klaren Verlangsamung des Wachstums ausgegangen.

Die auf Finanznachrichten spezialisierte Agentur Bloomberg witzelt schon: Zwar habe Donald Trump einen „Boom wie nie zuvor“ versprochen, aber man könne zweifeln, was unter „Boom“ verstanden werden könne – denn die Entwicklung sei sicherlich explosiv gewesen – nur nicht so, wie es sich die Anleger erhofft hatten. „Es war ein extremes, lehrbuchmäßiges, systematisches Risiko in seiner reinsten Form“, lässt sich Analyst Mark Malek von Siebert zitieren. „Die Volatilität war völlig anders als alles, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, und sie breitete sich wie ein Lauffeuer wahllos über alle Sektoren und Anlageklassen aus, ständig angeheizt durch zufällige Schlagzeilen und wechselnde politische Maßnahmen.“

Weiter turbulente Zeiten

Zuvor herrschte die Hoffnung, dass die Regierung die Regulierung lockern und Steuern senken würde, was das Wachstum ankurbeln würde. Stattdessen konzentrierte sich der Präsident jedoch auf seinen Zollstreit und versetzte die Märkte mit jeder neuen Ankündigung von Zöllen für Handelspartner in Aufruhr. Das trifft nahezu alle Sektoren. Besonders hart traf es die Autobranche, der entsprechende Branchenindex im S&P 500 verlor ein Drittel an Wert. Doch auch die börsennotierten Unternehmen der Halbleiterindustrie verloren 20 Prozent. Lediglich die Kommunikationsbranche sticht hervor, die entsprechenden Unternehmen in den USA konnten ein Kursplus von rund 15 Prozent verbuchen.

Und die Wall Street bereitet sich auf weitere Turbulenzen vor. Spekulanten haben laut kürzlich veröffentlichten Daten der amerikanischen Börsenaufsicht CFTC ihre Netto-Short-Positionen auf S&P 500-Futures auf den höchsten Stand seit Dezember ausgeweitet – sie setzen also auf fallende Kurse. David Lefkowitz, Leiter der US-Aktiensparte der UBS, rechnet für dieses Jahr mit stagnierenden Gewinnen für die Unternehmen im S&P 500. Die Deutsche Bank hat erst vergangene Woche ihre Prognosen für einen Anstieg des S&P 500 aufgegeben. Unterdessen warnten die Strategen der Bank of America, dass die Voraussetzungen für eine nachhaltige Erholung des Aktienmarktes fehlen, und ermutigten die Anleger, zu verkaufen. Ausländische Investoren haben diese Botschaft schon verstanden und verkaufen laut Goldman Sachs seit Anfang März amerikanische Aktien.

Ausländer ziehen sich zurück

Das deckt sich mit einer Analyse der Deutschen Bank: Nach einer Studie von DB Research hat sich vor allem das Verhalten ausländischer Anleger in den vergangenen zwei Monaten massiv verändert. Der Leiter des Währungs-Researchs, George Saravelos, spricht gar von einem Käuferstreik. Demnach hätten Ausländer in den vergangenen zwei Monaten anhaltend US-Aktien und Anleihen verkauft, der Höhepunkt der Aktienverkäufe sei in der Woche der Ankündigung der Strafzölle erreicht worden, wobei diese danach weiter gegangen seien. Anleihen würden schon seit März beständig verkauft.

Insgesamt deuteten die bisherigen Daten auf eine bestenfalls sehr schnelle Verlangsamung der Kapitalzuflüsse in die USA hin, im schlimmsten Fall auf fortgesetzte Verkäufe – trotz einer Erholung der Kurse. Beide Deutungen seien für den Dollar negativ, schreibt Saravelos, müssten doch die Vereinigten Staaten ein doppeltes Defizit von Haushalt und Leistungsbilanz finanzieren.

Andere Anlageklassen leiden ebenfalls

Auch Abseits der Aktienmärkte hat Trump für Unruhe auf den Märkten gesorgt. Der Dollarindex hat seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus rund neun Prozent verloren und ist damit auf dem besten Weg, bis zum Monatsende den größten Verlust seit Anfang der 1970er Jahre zu verzeichnen – als die USA den Goldstandard aufgaben und den Dollar frei handeln ließen. Der Devisenmarkt wurde mit einem Volumen von 7,5 Billionen Dollar je Tag hin und her geworfen. Alle anderen von Bloomberg beobachteten wichtigen Währungen haben seit der Amtseinführung gegenüber dem Dollar zugelegt, angeführt von der schwedischen Krone, dem Schweizer Franken und dem Euro. Sogar der mexikanische Peso und der kanadische Dollar haben seit dem 20. Januar gegenüber der US-Währung an Wert gewonnen, da Trumps aggressivste Handelsdrohungen durch Verzögerungen und Verhandlungen abgeschwächt wurden.

Auch bei den Staatsanleihen gab es dramatische Bewegungen. Die Rendite 10-jähriger Anleihen wurde bis Anfang April auf 3,86 Prozent gedrückt, nachdem die Zölle verkündet wurden und damit die Nachfrage nach sicheren Anlagen angeheizt wurde. Die Nachfrage schwand jedoch schnell, als die Befürchtungen stiegen, dass der Handelskrieg die Vereinigten Staaten in eine Rezession stürzen könnten. Die Anleger bewegte das zum Verkauf ihrer Staatsanleihen, der Leitzins verzeichnete den größten wöchentlichen Anstieg seit dem Jahr 2001 und erreichte 4,59 Prozent. Das ist auch deswegen bedeutsam, weil die Staatsanleihen als Benchmark für die Preisbildung von Aktien über Staatsanleihen bis hin zu Hypothekenzinsen gelten und täglich als Sicherheiten für Kredite in Höhe von Billionen Dollar verwendet werden. Angeheizt wurde das noch von Trumps Tiraden gegen den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell.

Niedriger Erdölpreis könnte Trump sogar helfen

Auf den Kreditmärkten stiegen nach der Zollankündigung die Risikoprämien für Unternehmensanleihen in den Vereinigten Staaten und Europa so stark wie seit der regionalen Bankenkrise und dem Zusammenbruch der Credit Suisse im März 2023 nicht mehr. Für Junk Bonds stiegen laut Bloomberg die Renditen so stark wie zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020. Der Bloomberg-Index für notleidende Kredite verzeichnete den stärksten Anstieg seit 15 Jahren.

Auch der Erdölpreis ist eingebrochen, wobei hier die schlechteren Wirtschaftsaussichten die größte Rolle gespielt haben dürften. Gleichzeitig hat die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) das Angebot wieder erhöht. Vom schwächeren Ölpreis könnte Trump aber profitieren: Damit könnte er sein Wahlversprechen einhalten, die Spritpreise zu senken und damit auch die Inflation zu verringern.

Bei den Digitalwährungen ist die anfangs euphorische Stimmung schnell wieder abgeflaut. Zwar liegt der Bitcoin-Preis ein Drittel über dem Niveau vor den Wahlen, doch konnte sich die digitale Leitwährung nicht von der Entwicklung an den Märkten abkoppeln, so dass seit Jahresbeginn nur ein Plus von weniger als zwei Prozent zu Buche stand.

Einziger Gewinner der Turbulenzen ist Gold. Das Edelmetall hat die Rolle als sicherer Hafen verteidigt, die Preise erreichten Anfang dieses Monats einen Höchststand von knapp über 3500 Dollar je Feinunze. Selbst nach dem Rückgang der vergangenen Tage konkurriert Gold immer noch mit dem S&P 500 um den Titel des weltweit besten Anlagewerts der vergangenen fünf Jahre.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!