#Sollte der Liberalismus denn Probleme haben?
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„Sollte der Liberalismus denn Probleme haben?“
Was tut der Intellektuelle, der durch eine These weltberühmt wurde, die sich anschließend als spektakulär falsch erwiesen hat? Natürlich schreibt er weiter. Francis Fukuyama gewann im Alter von vierzig Jahren für seine Vermutung Weltruhm, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ende der globale politische Konflikt und damit die Geschichte. Natürlich gefiel diese These dem amerikanischen Publikum, aber auch Franzosen und Deutsche konnten sich an ihr erfreuen, verhalf er damit doch einer kontinentaleuropäischen Form der Geschichtsphilosophie zu ihrem zeitgenössischen Recht. In zwei berühmten Fußnoten seines Hegel-Kommentars hatte Alexandre Kojève als Erster die Formulierung vom „Ende der Geschichte“ verwendet, freilich ironisch gebrochen. Der Aufsatz, aus dem Fukuyamas gleichnamiges Buch 1992 hervorging, war bereits im Sommer 1989, vor dem Fall der Mauer also, in einer Zeitschrift veröffentlicht worden. Für einen kurzen Moment schien die Philosophie der Freiheit ihre prophetische Kraft beweisen zu können. Seine Behauptung der liberalen westlichen Demokratie als „final form of human government“ wurde plausibel.
Doch schon bald wurde klar, dass es damit nichts würde. Fukuyama schrieb weitere Bücher, zur Geschichte der politischen Ordnung, zum Ende der menschlichen Natur oder zur Kritik der Identitätspolitik, deren Erfolg sich aber dem andauernden Ruhm dieses einen Buches verdanken dürfte. Folgerichtig steht auch unter dem Titel seines neuesten Werks das Versprechen des alten: „Vom Autor von ‚Das Ende der Geschichte‘.“ Wenn er nun wieder direkt zum Thema der Zukunft der liberalen Ordnung zurückkehrt, so hätte man auch eine Auseinandersetzung mit dem Schicksal der eigenen These erwartet, die Fukuyama in Interviews immer mal wieder, aber offenbar nie so recht systematisch angegangen ist. Dass diese Auseinandersetzung unterbleibt. Dass das alte Buch noch nicht einmal im Literaturverzeichnis erscheint, ist nicht die einzige Enttäuschung, die das neue bereitet.
Fukuyama versucht sich an einer Apologie des „klassischen Liberalismus“, der sich in seiner Lesart vor allem durch den Schutz individueller Rechte, eine handlungsfähige Staatsgewalt und einen Primat dezentraler Politik auszeichnet. Die Krise des zeitgenössischen Liberalismus ist für Fukuyama namentlich durch den Neoliberalismus verursacht, von dem er sich pflichtschuldig distanziert. Das Problem liegt aber nicht an liberalen Modellen, sondern daran, wie diese von Ökonomen und Marktverehrern „ins Extrem“ oder „auf die Spitze getrieben“ wurden. Beide Formulierungen finden sich in dem – von Karlheinz Dürr vorzüglich übersetzten – Buch immer wieder, und sie beschreiben eigentlich schon dessen ganze Theorie. Fukuyama liefert nicht mehr als ein schlichtes Modell liberaler Mäßigung, in dem die als richtig erkannten Grundsätze nur richtig angewandt werden müssten, um sich durchzusetzen.
Er kann es nicht lassen
Nach diesem Schema werden im Buch auch andere Herausforderungen des und Kritiken am Liberalismus beschrieben und entschärft: gruppenbezogene Identitätspolitiken aller Art, die Philosophie von John Rawls – dem Fukuyama vorwirft, sich zu wenig für individuelles Verdienst zu interessieren und mit seinem Konzept von Neutralität den Liberalismus wehrlos zu machen – oder die post-koloniale Kritik, für deren Abfertigung er gerade einmal eine Dreiviertelseite braucht.
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