Wissenschaft

#Statine statt Mittelmeerdiät? – Gesundheits-Check

Die Bildzeitung durfte im April Lauterbachs Idee eines „Herzgesetzes“ bei einem „Herzgipfel“ vermarkten. Jetzt will die Bildzeitung erfahren haben, dass das Gesetz schon durch Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium sei.

Die Inhalte sollen demnach – passend zu Lauterbachs Faible für „Prävention und Aufklärung in der Medizin“ – sehr stark auf die Früherkennung von Risikofaktoren und die medizinische Behandlung mit Statinen fokussiert sein: Mit einem „Gutschein“ geht man zur Untersuchung zum Arzt, bekommt ggf. Statine und vielleicht einen Raucherentwöhnungskurs. Bezahlen sollen es die Krankenkassen.

“Dafür sollen laut Entwurf Präventionsleistungen umgeschichtet werden. Denn wie BILD aus Ministeriumskreisen erfuhr, ist man mit den bisherigen Angeboten der Kassen wenig zufrieden. Die Millionen für Präventionskurse wären bei Rauchentwöhnung und Statinen besser angelegt als in Kurse wie „Sushi-Rollen für Anfänger“, heißt es.”

Ob es wirklich Krankenkassenkurse „Sushi-Rollen für Anfänger“ gibt? Oder geht es um Kurse zur gesunden Ernährung, die für die Prävention von Herzkreislauf-Erkrankungen ja nicht unwichtig sein soll? Ebenso wie mehr Bewegung.

Wobei mehr Bewegung ebenso wie eine gesunde Ernährung umso eher möglich werden, wenn es nicht nur um Appelle an das individuelle Verhalten geht, sondern wenn die Alltagsverhältnisse das auch unterstützen, beispielsweise durch gute Angebote in Kantinen oder bei der Schulverpflegung, mehr Radwege, eine bewegungsförderliche Stadtplanung usw. – statt immer mehr bunter Aufklärungsbroschüren. Gleiches gilt für das Rauchen und einen übermäßigen Alkoholkonsum: Wird nur das individuelle Verhalten adressiert, oder unterstützt das Gesetz auch die von den Gesundheitswissenschaften herausgearbeiteten verhältnispräventiven Ansätze, z.B. bei den Konsumsteuern, der Werbung, der 24/7-Verfügbarkeit an Automaten und Tankstellen?

Überhaupt die Verhältnisprävention: Was ist mit Luftverschmutzung, Stress am Arbeitsplatz, Lärm usw.? Wird das jetzt alles medikalisiert, statt bei der Prävention frühzeitig an den Ursachen anzusetzen?

Und liegen eigentlich die IQWIG-Berichte zur Familiären Hypercholesterinämie schon vor, auch wenn natürlich Karl Lauterbach am besten weiß, was zu tun ist? Wenn Ärzte hunderttausende Früherkennungstermine zusätzlich anbieten sollen: Wird man dann auf notwendige Arzttermine bei akuten Problemen noch länger warten? Werden die Lauterbachschen Maßnahmen auch die sozial benachteiligten Gruppen erreichen, und zwar bevorzugt diese Gruppen, die ein erhöhtes Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen haben? Man weiß, dass gerade diese Gruppen Früherkennung seltener in Anspruch nehmen und auf verhaltenspräventive Angebote weniger gut anzusprechen sind. Die Gesundheitskioske, die hier etwas Ausgleich schaffen sollten, sind bekanntlich im aktuellen Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes gestrichen worden und ein konsistentes Konzept einer besseren Primärversorgung gibt es bislang ohnehin nicht.

Die Bildzeitung schreibt, dass man im BMG von hohen Einsparungen bei den Krankenkassen ausgehe, in Bälde von bis zu 500 Mio. Euro pro Jahr. Weniger Ausgaben durch mehr Behandlungen? Vielleicht, wenn alles gut geht. Aber ob hinter diesen 500 Mio. Euro wirklich eine solide gesundheitsökonomische Analyse steht? Nur am Rande: Für das Jahr 2020 weist das Statistische Bundesamt für Herzkreislauf-Erkrankungen Kosten im Gesundheitswesen in Höhe von fast 57 Mrd. Euro aus.

Lauterbach hat sicher ein gutes Herz und meint es gut. Vielleicht muss man sein Herzgesetz mit mehr Hoffnung betrachten. Wie Hölderlin an Zimmern schrieb: „Was wir hier sind, kann dort ein Gott ergänzen, mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.“

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