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Stehen die Techgiganten vor der Zerschlagung?

Die Zukunft von Meta und Google entscheidet sich in diesen Tagen an der Constitution Avenue in Washington. Hier steht das E. Barrett Prettyman United States Courthouse, ein mehr als 70 Jahre altes Gerichtsgebäude, in dem gerade Kartellklagen gegen die beiden amerikanischen Internetkonzerne verhandelt werden. Im Gerichtssaal 22 trat zuletzt Mark Zuckerberg, der Vorstandsvorsitzende von Meta, in den Zeugenstand. Es geht um die Frage, ob der Mutterkonzern von Facebook gegen das Kartellrecht verstoßen hat. Der Vorwurf lautet: Meta soll die Wettbewerber Instagram und Whatsapp gekauft habe, um unliebsame Konkurrenz für sein Facebook-Netzwerk zu kontrollieren und auszuschalten.

Zwei Stockwerke höher im Saal 10 wird der Kartellstreit mit Google verhandelt, der schon einen Schritt weiter ist. Google, die bekannteste und größte Suchmaschine, halte ihr Monopol in der Internetsuche mit illegalen Methoden aufrecht, entschied der zuständige Richter schon im August des vergangenen Jahres. Nun geht es darum, welche Konsequenzen diese Feststellung für das Unternehmen haben soll.

Fälle erinnern an Verfahren gegen Microsoft

Für Meta und Google, die zu den mächtigsten Unternehmen der Technologiebranche gehören, steht viel auf dem Spiel. Die Wettbewerbsbehörden fordern eine Zerschlagung der Unternehmen. Es könnten Kartellverfahren für die Geschichtsbücher werden, von ähnlicher Bedeutung wie das Verfahren gegen einen anderen großen Techkonzern, das um die Jahrtausendwende im selben Gerichtsgebäude in Washington verhandelt wurde. Damals klagten die Vereinigten Staaten gegen Microsoft und forderten eine Zerschlagung des Konzerns.

Das Justizministerium warf Microsoft vor, mit illegalen Mitteln die dominante Marktposition seines Computerbetriebssystems Windows abzusichern und auf andere Märkte auszuweiten. Zentrales Beispiel war der „Krieg der Internetbrowser“, das sind die Programme, die das Surfen und Suchen in den Weiten des sich in den 1990er-Jahren rasant entwickelnden World Wide Webs ermöglichten. Den Browsermarkt dominierte der „Navigator“ des Unternehmens Netscape. Microsoft reagierte und baute seinen „Internet Explorer“ als zusätzliche Funktion fest in das Betriebssystem Windows ein. Das wird als ein Grund dafür gesehen, dass es dem Konzern gelang, Netscape vom Markt zu verdrängen.

Es war ein Paukenschlag, als der Richter in dem Verfahren gegen Microsoft entschied und eine Zerschlagung anordnete. Das Geschäft mit dem Betriebssystem Windows sollte von anderen Softwareanwendungen wie den Office-Büroprogrammen oder dem Internet Explorer getrennt werden. Ein Berufungsgericht hob die Anordnung zur Aufspaltung von Microsoft auch wegen Verfahrensfehlern auf. Das Verfahren endete 2001 in einem Vergleich der Streitparteien, mit Auflagen, aber ohne Aufspaltung.

Strittig, ob Meta Monopolist ist

Das Justizministerium habe damals überzeugende Argumente auf seiner Seite gehabt, sagt William Kovacic, ein Wettbewerbsrechtler von der George Washington University, der 2008 und 2009 der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) vorstand. Doch die Sanktionen fielen weniger streng aus als von den Wettbewerbswächtern erhofft. Heute zieht die Regierung den Streit mit Microsoft als Vergleichsmaßstab für die laufenden Kartellverfahren gegen die Techkonzerne heran. Google verwende im Wettbewerb „das gleiche Drehbuch“ wie einst Microsoft, heißt es in der Klage des Justizministeriums gegen Google.

Als das Kartellverfahren gegen Microsoft 1998 begann, gab es Google und Facebook noch gar nicht. Doch wie einst Microsoft verteidigen sie sich heute gegen den Vorwurf, Monopolisten zu sein und dies nicht nur unternehmerischem Geschick zu verdanken, sondern auch unerlaubten Mitteln.

Die Ausgangslage im Meta-Fall ist etwas anders als bei Google und Microsoft. Es ist strittiger, ob es sich bei Meta überhaupt um einen Monopolisten handelt. Das hat mit der Definition des relevanten Marktes zu tun, einem zentralen Element in einem Monopolstreit. Wird ein Markt eng gefasst, wie etwa Weißwein aus einem bestimmten Ort an der Mosel, ist der lokale Winzer schnell zum Monopolisten abgestempelt. Wird der Markt aber weit gefasst, wie der globale Markt für Weißwein, ist der Winzer nur ein kleiner Spieler im großen Wettbewerb.

Kartellamt sieht hinter Whatsapp-Kauf „illegale Strategie“

Im Microsoft-Fall galt als relevanter Markt das Betriebssystem für Personal Computer, die mit Mikroprozessoren von Intel arbeiten. Der Softwarekonzern wies die Monopolrolle zwar von sich und verwies auf Wettbewerber wie Apple und etwaige künftige Konkurrenz. Interne Dokumente widerlegten aber Microsofts Argumentation, weil sie suggerierten, dass der Konzern sich selbst als dominant ansah, sagt Kovacic. Im Google-Fall geht es um den Markt für allgemeine Internetsuche. Das Unternehmen beteuert, es sei kein Monopolist, weil Nutzer im Internet auf vielerlei Weise nach Informationen suchten, zum Beispiel auch beim Onlinehändler Amazon. Der Richter fand das wenig plausibel.

Im Meta-Fall geht es darum, dass der Konzern vor mehr als einem Jahrzehnt das fotobasierte Netzwerk Instagram und das Nachrichtennetzwerk Whatsapp kaufte. Meta-Gründer Zuckerberg wies den noch jungen Start-ups großen Wert zu, er sah sie als künftige Konkurrenz und zahlte für Instagram 2012 eine Milliarde und zwei Jahre später für Whatsapp 22 Milliarden Dollar. Damals waren die Kartellbehörden einverstanden. Heute indes argumentiert die FTC, dass die Akquisitionen Teil einer illegalen Strategie gewesen seien, Konkurrenten „zu kaufen oder zu begraben“. Die Behörde spricht Meta Monopolstatus zu und will es zur Trennung von diesen Diensten zwingen.

Eine enge Marktdefinition wählt die FTC dafür. Relevant sei nicht der Markt für soziale Netzwerke im allgemeinen, sondern der Markt für „persönliche soziale Netzwerke“. Damit meint die Behörde Plattformen, die überwiegend der Kommunikation mit Freunden und Familie dienen. Internetdienste wie Tiktok oder Youtube gehören demnach nicht dazu, weil sie andere Zwecke erfüllten, wie den Konsum von Medieninhalten. In dieser Sichtweise bleibt Snapchat der einzige – und weit abgeschlagene – wesentliche Wettbewerber von Meta.

Tiktok als Konkurrent: „Jede 17 Jahre alte Person auf der Welt“ weiß das

Der Zuckerberg-Konzern nennt diese Definition des Marktes „fiktiv“ und erklärt, dass „jede 17 Jahre alte Person auf der Welt“ wisse, dass Meta mit Tiktok konkurriere. Fachleute halten das für ein starkes Gegenargument. Die Marktdefinition sei der „wunde Punkt“ der Kartellklage, sagt Kovacic: „Meta ist ein schwächerer Fall als Google.“ Der Jurist gesteht der Regierung aber auch zu, im Prozess „gute Momente“ gehabt zu haben. So sagte der Instagram-Mitgründer Kevin Systrom im Zeugenstand, Meta habe nach dem Zukauf nicht genug in die Plattform investiert. Das unterstütze das Argument der Regierung, es sei Meta vor allem darum gegangen, einen bedrohlichen Wettbewerber auszuschalten, sagt Kovacic. Allerdings: Selbst wenn Systroms Aussage zutrifft, wurde Instagram dennoch Kronjuwel im Meta-Konzern.

Der Fall Meta unterscheidet sich vom Fall Microsoft auch in einem anderen Punkt. Meta habe mit dem Instagram-Zukauf sein bestehendes Geschäftsmodell ausgebaut und mit Whatsapp um eine Marktposition jenseits klassischer Social-Media-Apps erweitert, sagt der deutsche IT-Jurist Dennis-Kenji Kipker. Microsoft dagegen habe die bestehende Marktmacht als Monopolist des Windows-Betriebssystems ausgebaut, indem es mit dem Internet Explorer eine neue Anwendung in das Betriebssystem integriert habe. Das sei „besonders gefährlich, da es durch das Betriebssystem-Monopol anderen Mitbewerbern teils gar nicht mehr möglich war, in den Markt einzutreten und sich dort zu etablieren“, sagt Kipker. Im Klartext: Microsoft machte bestehende Kunden ungefragt zum Nutzer des Internet Explorers und schloss damit Konkurrenten aus. Meta lässt seinen Kunden dagegen die Wahl, ob sie alle Dienste oder auch nur einen nutzen.

Im Mittelpunkt des Kartellverfahrens um Googles Suchmaschine stehen milliardenschwere Vereinbarungen des Konzerns, um seinen Dienst zur Standardvoreinstellung auf Geräten wie Apples iPhones oder in Internetbrowsern wie Firefox zu machen. Der Richter wertete diese Abkommen als wettbewerbswidrig. Als Konsequenz fordert das Justizministerium nun unter anderem, dass Google sich vom Internetbrowser Chrome und vielleicht sogar vom Handybetriebssystem Android trennt. Google liefert sich noch einen zweiten Kartellstreit mit der Regierung und hat auch hier in einigen Punkten eine Niederlage erlitten. Es geht um Technologien für die Onlinewerbung. Eine Richterin entschied, Google habe in mehreren Marktsegmenten ein unrechtmäßig erworbenes und erhaltenes Monopol.

Der Markt verändert sich schnell

Jahrelange Kartellstreitigkeiten werden manchmal von der Realität und neuen Marktbedingungen überholt, bevor sie in die entscheidende Phase gehen. Das gilt vor allem für sich dynamisch entwickelnde Märkte wie die Techbranche. Ebenso wie Meta den vor zehn Jahren noch unvorhersehbaren Wettbewerb mit Tiktok hervorhebt, sagt Google, die Kartellklage sei „rückwärtsgewandt“. Demnach konkurriert Google mit neuen Technologien wie der Künstlichen Intelligenz, also zum Beispiel dem KI-System ChatGPT. So gesehen wäre das Google-Monopol gar nicht so unangreifbar, wie es scheint. Das Argument stützte in dem Verfahren gerade ein ranghoher Manager von Apple , der darauf verwies, dass die Zahl der Suchanfragen mit Google auf Apple-Geräten im April zum ersten Mal seit mehr als zwanzig Jahren gesunken sei. Er begründete das mit der zunehmenden Nutzung von KI-Diensten.

Googles Position sei plausibel, befindet die Wettbewerbsjuristin Rebecca Haw Allensworth von der Vanderbilt University. Mit KI lasse sich aber in beide Richtungen argumentieren, pro und kontra Google, also auch dahingehend, dass es in einem solch zukunftsträchtigen Markt besonders wichtig sei, „gesunden Wettbewerb“ zu erhalten.

Der Vorwurf gegen Google, mit Exklusivverträgen die Position seiner Suchmaschine auf Computern und Handys abzusichern, könnte direkt aus dem Microsoft-Fall stammen. Weitgehend unstrittig sei damals gewesen, dass Vereinbarungen, mit denen Microsoft zum Beispiel Computerhersteller zur Vorzugsbehandlung seiner Produkte verpflichtete, zu weit gingen, sagt Kovacic von der George Washington University. Offen und umstritten geblieben aber sei die Frage, ob es dem Eigentümer einer Plattform wie Windows möglich sein solle, zusätzliche Funktionen zu integrieren.

Kartellverfahren hat Microsoft geschwächt

Dass Microsoft eine Zerschlagung vermied, wird oft mit dem Regierungswechsel vom Demokraten Bill Clinton zum Republikaner George W. Bush 2001 in Verbindung gebracht. In dem Vergleich mit der neuen Regierung stimmte der Konzern Restriktionen wie dem Verzicht auf Exklusivvereinbarungen zu. Der Ausgang wurde weithin als Erfolg für Microsoft gewertet. Doch finden viele Beobachter, dass das Kartellverfahren den Konzern geschwächt habe. Microsoft-Mitgründer Bill Gates hat einmal gesagt, der Rechtsstreit habe ihn und sein Unternehmen abgelenkt, gerade in der Entwicklung von Handysoftware. Ohne den Rechtsstreit würden die Menschen heute statt Android eine Handyversion von Windows nutzen, war Gates überzeugt.

„Im Rückblick war Google ein großer Gewinner des Microsoft-Falls, weil das bestehende Internet-Ökosystem aufgebrochen wurde“, sagt Juliane Mendelsohn, die an der TU Ilmenau zur wirtschaftlichen Macht und Regulierung amerikanischer Techkonzerne forscht. Ansonsten würden wir heute womöglich alle im Internet Produkte von Microsoft nutzen. Ausgerechnet das Beispiel Google verdeutliche so eines der Kernargumente für Kartellverfahren, sagt Mendelsohn: Mehr Wettbewerb soll mittelfristig zu besseren Produkten für Ver­braucher führen.

Auch die Größe der Konzerne könne über Netzwerkeffekte aber Vorteile für Verbraucher haben. „Wenn Menschen jeweils auf einem von Dutzenden sozialen Netzwerken unterwegs sind, geht der Grundgedanke des Vernetzens mit Bekannten irgendwann verloren.“ Auch die Techkonzerne verteidigen damals wie heute potentiell wettbewerbswidrige Verhaltensweisen mit dem Verweis darauf, schlicht das bestmögliche Produkt für ihre Nutzer anbieten zu wollen.

Damit schließen sie an die in den USA lange dominante Chicagoer Denkschule an, die wettbewerbsrechtliche Eingriffe des Staates in den Markt nur im Fall erheblicher negativer Auswirkungen für die Verbraucher als notwendig erachtet. Der Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman schrieb 1999, dass das Kartellverfahren gegen Microsoft einen gefährlichen Präzedenzfall darstelle, der künftigen technischen Fortschritt behindere. Kovacic dagegen sieht den Microsoft-Fall als Beispiel, dass es nicht der Zerschlagung von Unternehmen bedürfe, um den Wettbewerb zu beleben. Er hält in den Kartellfällen gegen Google und Meta wie einst gegen Microsoft Auflagen für wahrscheinlicher als eine Aufspaltung der Unternehmen.

Solche feinsinnigen Überlegungen wären hinfällig, sollte der amerikanische Präsident Donald Trump versuchen, in das Geschehen einzugreifen und den Ausgang der Kartellprozesse zu beeinflussen. Er hat wiederholt die Autorität über eigentlich unabhängige Institutionen wie die FTC für sich reklamiert. Und Meta-Chef Zuckerberg war seit Trumps Amtsantritt schon mehrfach zu Gast im Weißen Haus.

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