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#Der Sieg von Sigrid Maurer

Der Sieg von Sigrid Maurer

Seit Jahresbeginn gilt in Österreich ein Gesetzespaket gegen „Hass im Netz“. Opfern gehässiger Äußerungen auf Internetplattformen soll es damit erleichtert werden, sich zur Wehr zu setzen. Es geht dabei um wirksamere Beschwerdeverfahren und Verpflichtungen, rechtswidrige Inhalte umgehend zu löschen. Nicht zuletzt soll eine Hürde abgebaut werden, die Opfern zu oft den Weg versperrte, zu ihrem Recht zu kommen: die Kosten möglicher Verfahren. Was hilft es, wenn man am Ende eine Löschung erreicht, aber auf den Kosten beispielsweise für den Rechtsbeistand sitzenbleibt? Oder es befürchten muss und deshalb ein Verfahren scheut.

Stephan Löwenstein

Das ganze Paket war im Grunde ein Fall von Anlassgesetzgebung, obwohl nicht alle Regelungen auf den konkreten Anlass anzuwenden wären. Der war ein Erlebnis der dritten Art, das der Grünen-Politikerin Sigrid Maurer mit unflätigen und unsittlichen Nachrichten vom Account eines Getränkehändlers widerfahren ist, an dessen Geschäftslokal sie regelmäßig vorbeikommt. Und mit einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen Farce und Ärgernis – aus dem diese Woche plötzlich die Luft entwichen ist, nicht mit einem Knall wie bei einem zerplatzenden Ballon, sondern mit einem leisen Seufzer wie bei einem Soufflé.

Maurer hatte im Mai 2018 eine nicht öffentliche Nachricht mit obszönem und schmähendem Inhalt vom Facebook-Account des Manns bekommen, für den sich die Bezeichnung „Bierwirt“ eingebürgert hat. Das machte Maurer, vormals Parlamentsabgeordnete, aber zu diesem Zeitpunkt ohne politisches Amt, über Twitter öffentlich und nannte auch den Namen des Manns als Urheber der Nachricht. Der bestritt die Urheberschaft und verklagte Maurer. Er behauptete, ein Passant oder Kunde müsse im Geschäftslokal über den dort stehenden Computer und des „Bierwirts“ Facebook-Account die Nachricht verschickt haben. Das Gericht gab in erster Instanz zwar Zweifel an dieser Darstellung zu erkennen, erkannte aber trotzdem für Recht, dass Maurer sich der üblen Nachrede schuldig gemacht habe. Sie sollte eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro zahlen und überdies 4000 Euro an den Lokalbetreiber für die „erlittene Unbill“.

„Bezeichnung als ,Arschloch‘ gerechtfertigt“

Das Urteil wurde dann allerdings vom Wiener Oberlandesgericht aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Im neuen Verfahren präsentierte der „Bierwirt“ plötzlich eine Person als angeblichen Autor der anstößigen Nachricht, einen Kunden, von dem er leider nur wisse, dass er „Willi“ gerufen werde. Der habe sich in einem Schreiben bezichtigt. Tatsächlich konnte die Polizei jenen „Willi“ ermitteln. Doch als der Mann im Januar dieses Jahres zur Verhandlung geladen war, erschien er nicht – wegen einer angeblichen plötzlichen Erkrankung. Am Mittwoch war die Verhandlung aufs Neue angesetzt, und „Willi“ erschien tatsächlich. Zumindest am Ort des Geschehens, wo er Journalisten erzählte, er habe die besagte Nachricht sicher nicht verfasst. Vor Gericht musste er dann aber gar nicht mehr aussagen. Denn plötzlich zog der Anwalt des „Bierwirts“ die Klage gegen Maurer zurück.

Möglicherweise hat es der Rechtsvertretung (die zwischenzeitlich ausgetauscht worden war) zu denken gegeben, wie ein Bezirksgericht im Januar in einem Nebenstrang der Geschichte geurteilt hatte. Da hatte der „Bierwirt“ Maurer zusätzlich verklagt, weil sie in einem Privatchat mit einer dritten Person den Mann mit einer Beschimpfung bezeichnet hatte, die sich auf die Anatomie des Gesäßes bezieht. Der Privatchat wurde im Rahmen des Hauptverfahrens öffentlich, der „Bierwirt“ klagte auf Unterlassung. Er wurde jedoch vom Bezirksgericht kühl abgewiesen: „Angesichts der Perversität der Äußerungen des Klägers ist die auch zwei Tage danach noch bestehende Entrüstung der Beklagten legitim und die unglücklich gewählte Bezeichnung des Klägers als ,Arschloch‘ gerechtfertigt.“ Zumal sie ja ursprünglich nicht öffentlich gebraucht worden sei.

Jedenfalls ist es auch im Hauptverfahren nicht dabeigeblieben, dass das Verfahren nach dem Rückzug der Klage eingestellt wurde. Maurer, inzwischen als Abgeordnete in den Nationalrat eingezogen und zur Klubobfrau (Vorsitzenden) der neuen Regierungsfraktion aufgestiegen, wurde ausdrücklich freigesprochen. Sie zeigte sich „froh und erleichtert“. Das Verfahren an sich bedauert sie offenbar nicht: Es sei ein „Präzedenzfall“, der eine öffentliche Debatte über „Hass im Netz“ angestoßen habe. Dank der neuen Gesetzgebung der konservativ-grünen Koalition, sagte sie, wäre so ein Fall heute nicht mehr möglich.

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