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#Autor Philip Roth in Deutschland: Das jüdische Risiko

In „abgöttischer“ Liebe verfallen: So beschreibt Maxim Biller die Beziehung der deutschen Leser zu Philip Roth in seiner Heidelberger Poetikvorlesung von 2018, dem Todesjahr des Amerikaners. Den Grund sieht er in der Mentalitäts­geschichte dieses Landes: Mit seinen Erzählungen und Romanen habe Roth „den unsicheren, melancholischen, oft gut meinenden Nachkriegsdeutschen“ eine „Tür zur jüdischen Welt geöffnet, die die Nazis zugeschlagen hatten“. Wie aber konnte ihm das gelingen? Indem er von Juden erzählt habe, die weit weg lebten, „in einem fast unschuldigen, märchenhaften American-Dream-Land“, das in völligem Gegensatz stehe zur „bitteren Realität unseres kranken, seltsamerweise noch immer existierenden Kontinents“. Die Wiederannäherung an das Jüdische, die Roth den Deutschen ermöglicht habe, wäre also eine harmlose Wiederannäherung – eine harmlosere zumindest, als sie aus europäischer und vor allem deutscher Sicht vorstellbar wäre.

Billers These ist reizvoll, aber sie lässt außer Acht, was erst die Archivrecherche zutage fördern kann. Im Archiv des Rowohlt-Verlags, das auf der Marbacher Schillerhöhe einzusehen ist, lässt sich nachlesen, dass die breite und freund­liche Aufmerksamkeit, die Roth in späteren Jahrzehnten in Deutschland erfahren sollte, Anfang der Sechzigerjahre alles andere als absehbar war. Im Gegenteil: Der Verlag betrachtete Roths Erstlingswerk, die 1959 im amerikanischen Original, drei Jahre später dann in deutscher Übersetzung erschienene Prosasammlung „Goodbye, Columbus“, mit ihren „freundlichen, bösen, bösartigen, verständnisvollen, genervten, perversen, widersprüchlichen Juden“ (so Billers Charakterisierung), explizit als ein Risiko, das man nur deshalb in Kauf zu nehmen bereit war, weil man einen kommenden Star der amerikanischen Literatur möglichst früh an sich binden wollte.

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