#Es läuft einfach so weiter
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„Es läuft einfach so weiter“
Es sah aus wie eine ganz normale Modenschau: Die Models trugen Tweed-Kostüme wie in den Achtzigern, lange Mäntel für Herbst und Winter, Kleider wie zum Cocktailempfang. Aber sollte es das gewesen sein bei Chanel? Kein Kommentar zum Krieg? Business as usual? Einfach so weitermachen? Es ging einfach nicht. Auch wenn das Prêt-à-Porter, das am Mittwoch nach einer Woche zu Ende ging, alle Illusionskünste aufbot, mit Street-Style-Fotografen vor der Tür, mit dem Duft riesiger Blumenbouquets, mit perlendem Champagner im Glas – es ging einfach nicht. Denn die Nachrichten kommen überall hin, auch in den Espace Ephemère, das Zelt auf den Marsfeldern gegenüber dem Eiffelturm, wo Chanel seine Schauen zeigt in der Zeit, in der das Grand Palais renoviert wird.
„I read the news today, oh boy“, spielte Chanel-Sounddesigner Michael Gaubert gegen Ende plötzlich ein, „A Day in the Life“ von den Beatles. Und man war fast froh, dass Virginie Viard nicht mit dem branchenüblichen Zynismus über die Nachrichten vom russischen Überfall auf die Ukraine hinwegging. Giorgio Armani hatte in Mailand einfach gar keine Musik einspielen lassen. Aber das hier war auch eine Art, nicht über alles einfach hinwegzuhören: „I saw a film today, oh boy / The English army had just won the war“. Für John Lennon war es eine Antikriegshymne, für Virginie Viard wohl auch – die mit den Beatles aufwuchs, bevor sie sich dem Punk zuwendete und schließlich zu Chanel ging, wo sie am Dienstag eine Retro-Kollektion vorstellte, deren Zurückhaltung die Stimmung aufnahm, obwohl sie entstanden war, bevor der Krieg begann.
Wenn nur alle den Schuss gehört hätten! Dann hätte Matthew Williams bei Givenchy vielleicht nachbessern können, nicht all die Camouflage-Looks über den Laufsteg schicken müssen, die man nun als böse Anspielung verstehen muss, nicht die martialischen Auftritte, die hier mit dem Label „cool“ versehen werden, obwohl sie im eigentlichen Sinn, der seit zwei Wochen brutal hervortritt, nur mörderisch sind. Nicht jeder Matthew Williams ist ein Demna Gvasalia, der die Mode bis zur Kenntlichkeit entstellen kann.
Am Ende fehlte auf dem Kalender des Prêt-à-Porter ein Name. Die Modenschau des russischen Designers Valentin Yudashkin wurde gestrichen. Die Fédération de la Haute Couture et de la Mode hatten ihn gebeten, sich von dem Krieg Russlands gegen die Ukraine zu distanzieren. Das tat er nicht. Schließlich ist Russland sein wichtigster Markt, da will er die Schönen und Reichen nicht verprellen. Und schließlich ist er dem Krieg schon deshalb nahe, weil er die Uniformen der russischen Soldaten entworfen hat. Ralph Toledano, dem Präsidenten der Modekammer, blieb keine Wahl. Er hatte dazu aufgerufen, die Schauen „mit der gebührenden Ernsthaftigkeit“ auszurichten. Die 110 Mitglieder der Fédération bat er, für ukrainische Flüchtlinge zu spenden. Man könne nicht einfach so weitermachen, „während zwei Stunden von Paris entfernt ungeheuerliche Dinge passieren“. Yudashkin zeigte seine arg damenhafte Kollektion dann trotzdem, auf Youtube – schließlich habe er ein Jahr lang an den Entwürfen gearbeitet.
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