Kylian Mbappé ist der große Star im Hintergrund

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Und als zwei Tage später, am Montag dieser Woche, Lamine Yamal dem spanischen Sender COPE ein Interview gab, wurde er gefragt, ob am Donnerstag in Stuttgart schon eine Entscheidung über den Ballon d’Or fallen werde. Ob, je nach Ausgang des Nations-League-Halbfinals, er, Yamal, die Auszeichnung gewinnen werde – oder Ousmane Dembélé.
Einzelkönner im Fokus
Das sind die Einzelkönner, über die man spricht vor diesem Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich (21 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Nations League, ARD/DAZN): Yamal, noch immer erst 17 Jahre alt, das größte Talent im Weltfußball. Dembélé, Frankreichs frischgebackener Champions-League-Sieger. Vielleicht auch noch Désiré Doué, seit Dienstag 20 Jahre alt, der gerade zwei Tore im Champions-League-Finale erzielt hat.
Wer in solchen Diskussionen gerade fehlt, ist der Mann, der Frankreichs Nationalmannschaft eigentlich anführt. Und der noch vor Kurzem wirkte, als sei er in den kommenden Jahren der natürliche Kandidat für Einzelauszeichnungen: Kylian Mbappé.
Vor knapp elf Monaten, als Frankreich und Spanien schon einmal in Deutschland in einem Halbfinale gegeneinander spielten, galt Mbappé als bester Individualist im Fußball. Gerade war er zu Real Madrid gewechselt; der beste Angreifer, so schien es, ging zum besten Team der Welt. Nach der Messi-Ronaldo-Zeit war er auf dem besten Weg zum größten Star des Sports.
„Ein Kapitän im Schatten von PSG“
Dann gewann Lamine Yamal mit Spanien die EM, wurde mit Barcelona spanischer Meister und verzückte die Fußballwelt mit seinen Darbietungen in der Champions League wie noch kein Teenager vor ihm. Und Mbappés Nationalmannschaftskollegen von PSG gewannen ohne Mbappé den Titel, für den ihr Kapitän nach Madrid gewechselt war. In Frankreich feierten sie in den vergangenen Tagen ein Team, das erst ohne den berühmtesten französischen Fußballer zu einem herausragenden Kollektiv wurde. „Ein Kapitän im Schatten von PSG“, titelte die Sportzeitung „L’Équipe“ am Mittwoch.
Dabei ist es nicht so, dass Mbappé seit seinem Wechsel nach Madrid enttäuscht hätte. 43 Pflichtspieltore machte er für Real, er schoss Manchester City fast allein aus der Champions League. Er gewann den Goldenen Schuh, die Auszeichnung für den besten Torschützen Europas, als erster Franzose seit Thierry Henry. Aber er gewann eben keinen großen Titel.
Und zugleich passte in Madrid vieles nicht mehr so zusammen wie im Jahr zuvor. Vinícius Jr., der sich auf dem Rasen gern in ähnlichen Räumen bewegt wie Mbappé, schien sich fast zurückzunehmen für den neuen Kollegen. Sowohl er als auch Jude Bellingham waren weniger torgefährlich als im Vorjahr. Bisweilen wirkte die Offensivreihe abgeschottet, nicht richtig verbunden mit dem Rest der Mannschaft.
Im April bemerkte der Sender ESPN, Vinícius und Mbappé seien die beiden Feldspieler in der spanischen Liga, die sich statistisch am öftesten gehend statt rennend über das Feld bewegten. Zwei solche Spieler sind für eine Mannschaft schwer zu verkraften, so brillant sie auch sein mögen.
Auch deshalb sprechen derzeit nur wenige über Mbappé, wenn es um den Ballon d’Or geht. Man spricht stattdessen über Spieler, die Teil von hervorragend funktionierenden Mannschaften sind statt nur individuell zu brillieren.
Eine Brücke fehlt zuweilen noch
In Frankreich haben viele schon seit einer Weile das Gefühl, dass ihre Nationalmannschaft nicht so funktioniert, wie sie sollte. Weil sie, selbst wenn sie erfolgreich ist, nicht halb so unterhaltsam spielt, wie man annehmen würde bei so viel Talent; weil der Spielwitz der Einzelkönner selten ein spielfreudiges Team ergibt. Es ist ein Team, das oft wartet und lauert – dem dann aber im Offensivspiel oft die Bindung fehlt, eine Brücke zwischen Mittelfeld und Angriff.
Erst recht, seit Antoine Griezmann nicht mehr für die Nationalmannschaft spielt, den Trainer Didier Deschamps schon bei der EM oft auf die Außenbahn geschoben hatte. Eine Ausnahme war nur das Viertelfinalrückspiel gegen Kroatien in der Nations League. Da mussten sie einen 0:2-Rückstand aus dem Hinspiel aufholen; sie waren gezwungen, nach vorn zu spielen. Den Franzosen gelang ein 2:0, sie gewannen im Elfmeterschießen. Es war das begeisterndste Spiel der Nationalmannschaft seit Jahren.
Nun, im Halbfinale, wird Mbappé zum ersten Mal neben den Offensivkollegen spielen, denen ihr größter Erfolg ohne ihn gelang. Man könnte denken, dass die Konstellation für Reibung sorgt, dass es die Balance der Mannschaft verändert. Es könnte sie aber auch so verändern, dass es beiden guttut: der Mannschaft und ihrem Kapitän.
Weil sich nicht, wie im vergangenen Sommer, alles auf Mbappé konzentriert, sondern auch auf Dembélé, Doué oder den Münchener Michael Olise, der im Viertelfinale der wohl beste Franzose war. Weil Mbappé im besten Fall vom Lauf der anderen profitieren, davon mitgetragen werden könnte. Und vielleicht auch, weil sie in diesem Frühjahr alle so deutlich wie selten gesehen haben, dass Einzelkönner dann am besten aussehen, wenn sie brillant zusammenspielen.
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