#Wer hält das Gendern auf?
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Allzu viel Erleichterung sollte sich nach dem Beschluss des deutschen Rechtschreibrats nicht breitmachen, den Genderstern nach wie vor nicht ins amtliche Regelwerk zu übernehmen. Vielmehr deutet die Erklärung des Rates darauf hin, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis irgendein Zeichen als Binnenzeichen in einem Wort benutzt wird, das dort eigentlich nichts zu suchen hat. Vermutlich wird es auf den Doppelpunkt hinauslaufen. In den Kreisen, die überhaupt auf geschlechtersensible Sprache Wert legen, erscheint er vielen als Kompromiss, aber es ist ein fauler Kompromiss. Denn der Doppelpunkt ist ein grammatisches Interpunktionszeichen und steht für eine Ankündigung. Innerhalb eines Wortes kann er diese Funktion gar nicht haben, ist also fehlplatziert.
Das Gendern in Schulen und Universitäten ist inzwischen weit fortgeschritten, obwohl die Empfehlungen des Rechtschreibrats, die von den Kultusministern beschlossen werden müssen, für diese Institutionen sowie Ämter und Behörden bindend sind. Die Wirklichkeit ist eine andere. Häufig stellt der Schulleiter Lehrern frei, im Klassenraum zu gendern, und überschreitet damit seine Kompetenz. Denn er hat nicht das Recht, die amtliche Regelung der Rechtschreibung außer Kraft zu setzen, sondern muss sie eigentlich durchsetzen.
Zwang an den Universitäten
Es gibt drei Länder, die das Gendern in Schulen verboten haben: Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen, das den Erlass vor Kurzem auf die Kooperationspartner von Schulen ausgedehnt hat. In allen übrigen Ländern wird je nach Parteifarbe auch an Schulen mehr oder weniger gegendert. Vor allem grüne Kultusminister lassen viel zu, was der Rechtschreibrat noch verwirft.
An den Universitäten herrscht mancherorts geradezu ein Genderzwang. Das gilt etwa für eine Berliner Universität, die Anträge auf universitätseigene Gelder nur annimmt, wenn sie gegendert sind. Einzelne Dozenten und Professoren drohen mit Punktabzug in Klausuren, wenn nicht gegendert wird, oder sie verlängern befristete Verträge nicht, weil ein Mitarbeiter sich irgendwo schriftlich gegen das Gendern geäußert hat. Das ist Gesinnungsterror und hat mit Wissenschaftsfreiheit nichts zu tun.
Auch einige Wissenschaftsorganisationen fordern gegenderte Texte oder haben sich auf eine einheitliche gegenderte Sprachform verständigt. Das gilt etwa für die Leibniz-Institute, die in ihren Texten den Doppelpunkt als Genderzeichen setzen. Da sowohl Bildungsvergleichsstudien der Kultusministerkonferenz (KMK) als auch andere Expertisen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission unter maßgeblicher Mitwirkung von Leibniz-Direktoren entstehen, wird in solchen Auftragstexten für die KMK mit Doppelpunkt gegendert. Die Kultusminister sorgen also für den Autoritätsverlust eines Gremiums, das sie selbst eingesetzt haben, als sie vor dem Scherbenhaufen der Rechtschreibreform standen.
Mutlose Entscheidungen
In seinem fast zwanzigjährigen Bestehen hat der Rechtschreibrat sich meist mutlos in seinen Entscheidungen gezeigt und Jahr für Jahr auf noch zu lösende Probleme verwiesen. In der sogenannten AG Schule des Rats scheint das Ziel der „rezeptiven Toleranz“ zur Hauptsache zu werden. Das wäre allerdings das Ende jeder orthographischen Sprachnorm, die in den Schulen zu vermitteln wäre.
Der Rechtschreibrat hat es bisher nicht vermocht, die Einheitlichkeit der deutschen Sprache zu sichern. Denn der Rat führt auf der Sprachebene gesellschaftliche Stellvertreterdebatten. Die jeweiligen Befindlichkeiten von Gruppenidentitäten erscheinen wichtiger als die Errungenschaft einer normierten Sprache, die der Verständigung aller untereinander dient. Solange die eigene Betroffenheit jedes Argument schlägt, kümmert es die jeweiligen Lobbygruppen nicht, dass Sehbehinderte bei Binnenwortzeichen nicht mehr barrierefrei lesen können und Nichtmuttersprachler noch mehr Probleme beim Deutschlernen haben.
Die Befolgung einer orthographischen Sprachnorm ist weder mit Bevormundung noch mit der Unterordnung unter einen autoritären Zwang zu verwechseln. Sie hat pragmatische Zwecke. Sie dient einer leichten, zweifelsfreien und rechtssicheren Verständigung. Geschriebene Sprache sollte idealerweise so formuliert sein, dass sie sich auch automatisiert übersetzen lässt.
Die Inseldiskussionen bestimmter universitärer Vertreter um die geeigneten Genderformen interessieren die Mehrheit der Bevölkerung nicht, die sich ausweislich von repräsentativen Umfragen gegen das Gendern ausspricht. Insofern kann es einen nur wundern, dass der Rechtschreibrat seiner Aufgabe, Sprachentwicklung zu beobachten, nur teilweise gerecht wird. Doch wenn es der Rat für Rechtschreibung nicht kann, wer dann? Ganz gewiss nicht der Duden, von dessen früherem Monopol nur er selbst etwas gehabt hat, nicht aber die deutsche Sprachgemeinschaft.
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