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#Amerika will China nicht die Rolle des Wohltäters überlassen

Amerika will China nicht die Rolle des Wohltäters überlassen

Angela Merkel versuchte erst gar nicht, ihren jüngsten Dissens mit der amerikanischen Regierung zu kaschieren: „Ich glaube, dass wir die Kreativität und die Innovationskraft der Unternehmen brauchen.“ Dazu gehöre der Patentschutz. Dessen Aussetzung sei nicht die Lösung, um mehr Menschen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, sagte sie nach einem EU-Gipfel in Porto. Das Problem sei nicht, „dass jemand auf seinem Patent sitzt“. Es gehe darum, hochwertigen Impfstoff herzustellen. Damit wandte sich die deutsche Kanzlerin gegen einen Vorstoß Präsident Joe Bidens: Angesichts der Versorgungsengpässe in jenen Teilen der Welt, in denen das Coronavirus derzeit schwer wütet, hatte er seinen Widerstand gegen die vorübergehende Außerkraftsetzung des Patentschutzes aufgegeben.

Bemerkenswert war, mit welchen Argument die Kanzlerin ihre Ablehnung bei den Beratungen intern begründet haben soll. Nachrichtenagenturen zitierten sie mit den Worten: Im Falle einer Freigabe der Patente könnte Fachwissen über die neuartigen mRNA-Impfstoffe an China abfließen. Die Volksrepublik könne dieses Knowhow leichter nutzen als Entwicklungsländer. Damit deutete Merkel an, dass es in der Frage um die globale Impfstoffverteilung nicht nur um humanitäre und medizinische, sondern auch um geopolitische Aspekte geht.

Der Demokrat hatte keine Wahl

Wie auch in anderen Fragen geht es also um Amerika, China und die Positionierung Europas. In Brüssel werden der Biden-Administration taktische Motive für den Kursschwenk unterstellt: Man wolle womöglich verdecken, dass die EU der einzige demokratische Machtblock sei, der derzeit Impfstoffe an Drittstaaten liefere. Was veranlasste Washington nach Monaten der Verhandlungen in der Welthandelsorganisation, den Vorschlag Indiens und Südafrikas zu unterstützen? Der Druck der WHO und der Vereinten Nationen? Die Forderung des linken Flügels der Demokraten, den nationalen Ansatz aufzugeben?

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Als Biden im Januar sein Amt antrat, übernahm er von seinem Vorgänger Donald Trump eine Impfstrategie, die auf dessen „America first“-Politik fußte. Mit der „Operation Warp Speed“, einer Public-Private-Partnership zwischen Politik, Militär und Pharma-Konzernen, wurde die Entwicklung und Produktion der Impfstoffe organisiert. Unter anderem wurden Exportbeschränkungen für Produkte erlassen, die für die Herstellung von Impfstoffen benötigt werden.

Bidens Priorität war es zunächst, die Impfstoffe „in die Arme der Amerikaner zu bekommen“, wie er sagte. Um die Logistik hatte sich die Trump-Administration nämlich nicht gekümmert. Durch die Impfkampagne gelang es Biden, inzwischen ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung vollständig impfen zu lassen. 46 Prozent haben zumindest eine Dosis erhalten. Dass sich die Kampagne in den vergangenen zwei Wochen verlangsamt hat, hat keine logistischen Gründe. Vielmehr haben die Gesundheitsbehörden mit dem Umstand zu kämpfen, dass sich Teile der Bevölkerung nicht impfen lassen wollen.

Biden hatte frühzeitig deutlich gemacht, dass auch er zunächst auf die nationale Impfkampagne setzen würde, obwohl er eingestand, dass das Virus nur global besiegt werden könne. Der Demokrat hatte keine Wahl: Hätte er nach seinem Amtsantritt verkündet, er werde die Kampagne internationalisieren, hätte er nicht nur gegen vertragliche Vereinbarungen verstoßen, welche die „Operation Warp Speed“ begründete, sondern sich auch hetzerischen Angriffen durch die Republikaner ausgesetzt. Erst als Amerika aufgrund des Impferfolges über Überkapazitäten bei der Versorgung mit Impfstoff verfügte, änderte sich das Kalkül.

Hemdsärmeliger Pragmatismus in Washington

Im März, bei einem virtuellen Vierergipfel mit Australien, Indien und Japan, sagte Biden unter anderem zu, die Impfstoffproduktion in Indien zu fördern und den Zugang zu Impfstoffen im indopazifischen Raum zu verbessern. Im April kündigte er dann an, bis zu 60 Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes nach Indien zu schicken. Dieser hat in den Vereinigten Staaten noch keine Zulassung erhalten.

Das „Quad“-Bündnis Washingtons mit Canberra, Delhi und Tokio ist eine Antwort der vier Staaten auf die zunehmende Macht Chinas. Der Biden-Administration ist bewusst, dass der nationale Ansatz Amerikas das Potential für ein PR-Desaster birgt – und den globalen Führungsanspruch des Landes beschädigen kann. Längst hatten China und Russland eine ambitionierte Impfdiplomatie gestartet. Vor allem Peking stellt sich als wissenschaftliche Supermacht in der Pandemiebekämpfung dar und hat Impfstoffe schon in mehr als 80 – mehrheitlich arme – Länder exportiert. Bislang begegnete man den chinesischen Impfstoffen mancherorts mit Skepsis, da die Unternehmen nicht alle klinischen Testresultate veröffentlichten. Nun aber hat die WHO für den chinesischen Sinopharm-Impfstoff eine Notfallzulassung erteilt.

Bidens Kursschwenk in Sachen Patentschutz muss in diesem Kontext gesehen werden. Die „America is back“-Losung bedeutet auch, dass der Präsident China nicht die Rolle des Wohltäters überlassen will. Er war dazu gar bereit, mit marktwirtschaftlichen Prinzipien zu brechen. Das kapitalistische Amerika offenbart in der Krise nicht zum ersten Mal einen hemdsärmeligen Pragmatismus: Auch Trump hatte bei der Produktion von Beatmungsgeräten zwischenzeitlich auf kommandowirtschaftliche Elemente gesetzt.

Für das deutsch-amerikanische Verhältnis bedeutet dies neuen Konfliktstoff. Außenminister Antony Blinken bemühte sich, den Streit herunterzuspielen: Die Aussetzung des Patentschutzes sei eine Möglichkeit, die Produktion von Impfstoffen zu erhöhen und den Zugang zu erleichtern. Man erwäge aber auch andere Schritte.

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