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#Die große Raffael-Ausstellung in London

„Die große Raffael-Ausstellung in London“

Die Kuratoren der grandiosen Raffael-Ausstellung in der Londoner National Gallery hätten die erste Gesamtschau dieses vielseitigen Œuvres außerhalb Italiens mit dem zarten Porträt eines Jugendlichen aus dem Ashmolean Museum beginnen können, das oft als Selbstbildnis identifiziert worden ist. Statt dessen haben sie ein ebenfalls in schwarzer Kreide angefertigtes Blatt aus dem Britischen Museum gewählt. Darauf sind Teile des Kopfes nur diffus an­gedeutet, Augen, Nase und Mund des noch knabenhaft wirkenden Gesichts jedoch fein nuanciert. Durch den konzen­trierten Blick in den Spiegel – und in die Zukunft – erhält die Darstellung nicht nur nachdrückliche Unmittelbarkeit. Die An­sicht suggeriert auch eine in der Oxforder Zeichnung nicht vorhandene, vor lauter Idealisierung bisweilen unbeachtete Willensstärke, ohne die Raffaels steile Karriere nicht denkbar gewesen wäre.

Gina Thomas

Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

Mit seinen skizzenhaften Zügen schafft das Blatt einen prägnanten Einstieg in eine Ausstellung, die dem Tun und Wirken des Künstlers konkretere Züge verleiht: wie ein ausgestaltetes Gemälde nach einer rudimentären Vorzeichnung. Das gilt umso mehr, als die durch das Papier hindurchdringenden Studien auf der Rückseite die vielen Facetten von Raffaels jäh unter­brochener Laufbahn ahnen lassen, die hier berücksichtigt werden – von der Malerei über die Beschäftigung mit der Antike, mit Architektur und angewandter Kunst bis hin zur Druck­grafik, in der Raffael nicht zuletzt dank des Beispiels von Dürer ein Medium für die größere Verbreitung seiner Schöpfungen erkannte, auch dies ein Zeichen von Ehrgeiz und Geschäftssinn.

Die konkurrierenden Motive auf der Vorder- und Rückseite der Zeichnung mit dem vermeintlichen Jugendselbstbildnis wirken in diesem Zusammenhang wie ein Sinnbild der alsbald von allen Seiten kommenden Anfor­derungen an den arbeitswütigen Künstler. Dessen Tod im Alter von 37 Jahren dürfte denn auch eher der Überlastung zuzuschreiben sein als den erotischen Strapazen, die Vasari in seiner Vita als Ursache nennt. Ob­wohl einiges unausgeführt oder un­vollendet blieb, mussten Raffaels Auftraggeber, anders als dies bei Michelangelo und Leonardo der Fall war, in der Regel nicht drängeln oder gar vergeblich auf ihre Bestellungen warten. Dieses zuverlässige Entgegenkommen hat freilich auch zum Ruf eines umgänglichen Künstlers bei­getragen.

Die enorme Produktivität, die flüssigen Linien seiner Zeichnungen und die seelisch-ruhige Vollkommenheit von Raffaels Kunst haben einen Eindruck von Leichtigkeit hinterlassen. In der Darstellung seines Werdegangs macht die Londoner Ausstellung jedoch deutlich, wie intensiv er die Eigenschaften seiner künstlerischen Ah­nen und Zeitgenossen zerlegt hat, um dann mit seiner außerordentlichen Fähigkeit zur Assimilation das Gelernte dem eigenen Aus­drucksvermögen anzupassen und zu je­ner harmonischen Auflösung zu finden, die sein Markenzeichen ist. Die sogenannte Mond-Kreuzigung aus der National Galle­ry, auf die der Besucher zugeht, wenn er die Ausstellung betritt, ist, wie schon Vasari beobachtete, von Peruginos Werk kaum zu unterscheiden. In den ebenso lockeren wie ausdrucksvollen Kreidezügen der um dieselbe Zeit datierten Kopfstudie des Heiligen Jakob aus dem Britischen Museum für das Altarbild mit der Krönung der Jungfrau, das sich heute in der Sammlung des Vatikans befindet, zeigt sich bereits, wie schnell der Schüler aus dem Schatten seines Lehrers hervorgetreten ist.

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